Friedhof Eichwalde -       früher Kreis Neumark,  

   heute Kreis Soldau         

         Der Drewenzbote !

      Heimatbrief des Kreises Neumark/Westpreußen 
       und seiner Stadt- und Amtsbezirke



 Nr. 119   Dezember  2011
 

             Löbau/Westpr.(Lubawa)

 

  

Neumark/Westpr. (Nowe Miasto   Lubawskie)

 

Redaktion: Prof. Stephan Freiger, 

Hannelore Freiger und Superintendent Rudolf Steege


 

Liebe Landsleute!

Mit diesem Bild aus dem Olivaer Dom

 – einem  Posaunenengel der berühmten Orgel   

 

wünsche ich Ihnen allen

 

gesegnete Weihnacht und ein gutes neues Jahr!

 

                                                                

 

 

 

 

 

 

 

     Ihr Stephan Freiger  

Heimatkreisvertreter

 

 

 

 

Görzberg (Gorzno) bei Strasburg (Brodnica): Hotel "Alte Mühle" (Dworek Wapionka) am See

 

 

Liebe Heimatgemeinde !

Im Jahr 2011 haben einige von uns noch einmal eine Fahrt in die alte Heimat Westpreußen antreten dürfen. Darüber hinaus erlebten wir eine Rundreise durch das heutige Polen mit so berühmten Städten wie Breslau, Krakau, Allenstein, Danzig, Stettin, aber auch ganz ländliche Gebiete und Naturschönheiten wie Masuren. Einen Höhepunkt bildete die Einweihung eines Gedenksteines auf dem ehemaligen evangelischen Friedhof in Eichwalde, Kreis Neumark. Daran nahmen neben Vertretern kommunaler Behörden auch zwei katholische polnische Geistliche sowie der zuständige evangelische Pfarrer Waldemar Kurzawa aus Soldau teil. In seiner Ansprache, die leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde, bezog er sich auf einen Text aus Lukas10,20: „Freuet euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Als deutscher evangelischer Pastor durfte auch ich eine kurze Ansprache an die um den Gedenkstein Versammelten richten. Dabei bezog ich mich auf den 139. Psalm. Daraus möchte ich besonders die Verse 7 bis 10 zitieren: „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ Wer ein wenig den beiden erwähnten Bibeltexten nachsinnt, wird vielleicht erahnen, dass die Ansprachen des polnischen und des deutschen Pfarrers in die gleiche Richtung zielten, auch wenn sie in verschiedenen Sprachen gehalten wurden.

Auf diesem Hintergrund berührten mich und einige Teilnehmer unserer Reisegruppe Erlebnisse beim Besuch der berühmten Marienkirche in Danzig. Abgesehen von dem imposanten Bau und vielen Sehenswürdigkeiten im Inneren dieses Gotteshauses, fiel unser Blick auch einmal auf den Fußboden. Dabei entdeckten wir, dass dort viele Grabplatten neben- und hintereinander geschichtet lagen, und die meisten Besucher gingen achtlos darüber hinweg. Als wir sie näher betrachteten, bemerkten wir, dass sie alle mit Namen von deutschen Bürgern versehen waren. In aller Regel war auch eine Berufsbezeichnung erwähnt und ebenso eine Bibelstelle oder ein Sinnspruch. Auf einer Grabplatte lasen wir: „Der Baum erstirbt, die Frucht fällt ab. Gott hat die Seel, den Leib das Grab.“

Mit der Schilderung dieser kurzen Eindrücke von unserer Fahrt in die alte irdische Heimat, möchte ich zugleich den Blick auf unsere himmlische Heimat lenken. In Hebräer 13,14 heißt es: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Und das bevorstehende Weihnachtsfest will uns wieder neu daran erinnern, dass Jesus Christus sein  Vaterhaus verlassen hat und zu uns gekommen ist, um uns nicht verloren gehen zu lassen. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

(Johannes 3,16)

 

 

Von Herzen wünsche ich nun Ihnen allen ein gesegnetes Christfest 2011und ein gutes neues Jahr 2012. Bleiben Sie behütet und Gott befohlen! Erleben Sie so viel Freude wie unter den gegebenen Umständen möglich! Nehmen Sie bitte auch liebe Grüße entgegen

Ihr Rudolf Steege

 

 

 

Grußwort des Patenkreises Oldenburg zur Jahreswende 20110/2012

Das Jahr 2012 steht schon vor der Tür, denn mit großen Schritten neigt sich das Jahr 2011 dem Ende entgegen. Viele große und kleine, sowie fröhliche aber auch nachdenkliche Ereignisse haben uns bewegt. Über die Medien haben wir am Geschehen in der ganzen Welt teilgenommen, andere Dinge haben wir live erlebt.

Zum Jahresende und in der Weihnachtszeit halten viele Menschen trotz der vielerorts großen Hektik inne, um die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen.  Die bevorstehenden Feiertage und der Jahreswechsel sollen Inseln der Besinnung und der Ruhe, aber auch der Fröhlichkeit und des herzlichen Miteinanders sein.

In den kommenden Tagen hören wir sicherlich häufig: „Alles Gute, viel Glück im neuen Jahr, Friede auf Erden!“ Friede auf Erden - das ist ein großes Wort, eine Vision. Gerade deshalb  freue ich mich, dass wir an der partnerschaftlichen Verbindung zu unseren Freunden im Landkreis Nowomiejski ständig weiter arbeiten.

Und ich freue mich, dass wir auch in diesem Jahr das herzliche Miteinander und die partnerschaftliche Verbindung zu unseren Freunden im Landkreis Nowomiejski weiter vertiefen konnten. Eine 14-köpfige Delegation aus dem polnischen Landkreis Nowomiejski besuchte den Landkreis Oldenburg vom 04. bis 08. Mai 2011. Angeführt wurde die Delegation von der neuen Landrätin Ewa Dembek.

Vor 10 Jahren wurde in Nowe Miasto Lubawskie die Verständigungserklärung über die Aufnahme partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen unterzeichnet. Aus diesem Anlass wurde während des Besuchs gemeinsam ein Baum gepflanzt als Zeichen des stetigen Wachstums der deutsch-polnischen Freundschaft.

Die zahlreichen Gespräche während des Besuches führen erfreulicherweise zu immer engeren Kontakten und fördern die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen.

Allen Neumarkern und ihren Familien wünsche ich, dass sie nach der Hektik des Alltags in der Weihnachtszeit etwas zur Ruhe kommen. Genießen Sie die Stunden in der Winterstille aber auch die Fröhlichkeit und freuen Sie sich auf das neue Jahr. Schöne Weihnachtsfeiertage und alles Gute für das Jahr 2012!

                                                                     

                                                                 Landkreis Oldenburg

Frank Eger  

 

 

 

Gedenkstein auf dem evangelischem Friedhof Eichwalde (Dębień) eingeweiht.

  Am 6.August 2011 fand in einem festlichen Rahmen die Einweihung eines Gedenksteins auf dem ehemaligen evangelischen Friedhof in Eichwalde (Debien) statt. Initiator war unser Vorsitzender, Prof. Stephan Freiger, organisiert vor Ort, hat sie Edmund Tessmer, der Vorsitzende des Bundes der Bevölkerung deutscher Volkszugehörigkeit aus Neumark. Viele haben zum Gelingen beigetragen: Unter der Ägide der Schulzin von Dębień, Frau Halina Tomaszewska und des Försters Tomasz Wgrzynowski aus Kosten (Kostkowo), hat die Eichwalder Feuerwehr mit ihrem Kommandanten Piotr Kaminski der Natur wieder einen Teil des Friedhofs abgerungen, um überhaupt den Stein setzen und, für die an der Feier Teilnehmenden, Sitzgelegenheiten aufstellen zu können. Eine gute Idee. Den Stein hergestellt und gerichtet hat Steinmetz Krzysztof Dalecki aus Neumark (Nowe Miasto Lubawskie).

 

 

Die Feier haben zwei evangelische Pfarrer - Superintendent Rudolf Steege aus Daaden (Deutschland), Pastor Waldemar Kurzawa aus Soldau (Dzialdowo) - und zwei katholischen Priester – Dekan Miroslaw Owczarek aus Rybno,  Marek Klugiewicz aus Rumian -  gestaltet, musikalisch umrahmt von dem jugendlichen Klarinettisten Oliver Maria Uszynski, Schüler des Weimaer Musikgymnasiums.  

 

Nicht wenige waren gekommen: Bewohner aus Eichwalde, Neumark, Angehörige von Prof. Freiger aus Bromberg, Bolleschien (Boleszyn), Kauernik (Kurzetnik)  und Wien, Mitglieder des Heimatkreises, alle Teilnehmer unserer Fahrt.

Pastor Kurzawa hatte gewiß recht, als er in seiner Predigt darauf verwies, dass es nicht vonnöten sei, die Namen der Bestatteten auf der Gedenktafel zu dokumentieren, sind sie doch in den Herzen der ihnen Nächsten. Das bestätigte Prof. Freiger zum Schluß der Feier in seiner kurzen Ansprache. Er erwähnte, dass seine Großmutter, 29 jährig, 1914 hier bestattet wurde, dass sie ihren Mann, den Förster des Gutes Kattlau (Katlewo), 2 kleine Mädchen, 4 und 6 Jahre alt, hinterließ, dass die 6-jährige seine Mutter war, mit der er mehrmals diesen Friedhof besuchte und dass seine Mutter, kurz vor ihrem Tod 2000 diesen Ort zum letzten Mal aufgesucht hat.

Der katholische Priester Miroslaw Owczarek, Dekan aus Rybno, wünschte, dass das gemeinsame Treffen und Gebet zur Erneuerung der Verbundenheit der Bevölkerung von Eichwalde (Dębień)  und den früheren deutschen Bewohnern des Kreises Neumark beitragen möge.

 

 

 

 

Zum  Schluß erteilte Superintendent Rudolf Steege den Segen.

Der Friedhof wurde 1864  vom Gustav-Adolf-Verein, zusammen mit einem evangelischen  Bet- und Schulhaus, eingeweiht. Das Gebäude soll nicht sehr groß gewesen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Erdgeschoß gab es – neben dem Betsaal, bestückt mit einem Harmonium und einer Kanzel, die aus dem früheren Chorstuhl der Löbauer evangelischen Kirche hergestellt worden war – eine Lehrerwohnung. Im Obergeschoß befand sich ein Klassenzimmer. Ein Turm zierte das Haus.  (Heimatkreisbuch  S. 330)

Der Friedhof  ist am 6.8. dem Vergessen entrissen, das Bethaus  existiert nicht mehr.

 

Um den Tag besonders ausklingen zu lassen, lud der Heimatkreis alle Beteiligten – und die ehemaligen Landräte von Neumark, die Herren Wacław Derlicki und Stanisław Czajka – zu einem Abendessen in die augenblickliche  „Herberge“ der Gruppe, das Hotel Dworek-Wapionka in Görzberg (Gorno) ein. Mit Ausnahme der Landräte und der polnischen Geistlichkeit – natürlich war Superintendent Rudolf Steege zugegen – kamen so ziemlich alle.

Das gab Prof. Freiger die Gelegenheit, sich noch einmal bei Herrn Tessmer, Frau Tomaszewska, Herrn Wgrzynowski, Herrn Dalecki mit einem Präsent zu bedanken.

 

 

Die, wie so oft, mal wieder als Dolmetscherin aktive mgr. Joanna Kardela, Lehrerin am  Neumarker Gymnasium, erfuhr eine besondere Ehrung. Sie erhielt – hochverdient – das Ehrenzeichen der Landsmannschaft Westpreußen.

 

 

 

 

Erlebnisbericht über die Reise nach Polen

vom 30. Juli – 13. August 2011,

die für den größten Teil der Teilnehmer eine Fahrt in die alte Heimat war.

Nun liegt das Ereignis schon ein viertel Jahr zurück. Die Erinnerung ist auch nicht mehr ganz taufrisch. Aber für mich wurde die Reise zu einer Fahrt voller Neugier auf unbekannte Mitreisende, eine interessante Landschaft mit wechselvoller Geschichte und den dazugehörenden historischen Städten. Ich sollte nicht enttäuscht werden.

Es war meine erste Reise seit langem, die ich ohne meinen Mann unternahm. Darum war ich gespannt, wie mich der Kreis aufnahm, der im nachhinein meine Vorurteile nicht bestätigte, sondern sehr freundlich zu mir war.

Polen hat sich sehr zum Positiven hin verändert. Es strebt Normalität zu anderen Ländern an, so wie wir Deutschen auch. Der Tourismus hilft dabei - und seine eigene Währung, den Zloty, stört nicht übermäßig.

Nun zu unserer Reise selbst:

Also Start an einem regnerischen, kühlen Samstag, Zustieg an der Raststätte hinter Chemnitz. Mein Mann und ich standen goldrichtig auf dem Parkplatz für Busse, ich brauchte nur aus unserem Auto in den bewussten Bus zu steigen, der für die nächsten vierzehn Tage unser Gefährt wurde. Auf ging es Richtung Görlitz. Ankunft 17°° Uhr, Übernachtung im Hotel Silesia, einem umgebauten Bürgerhaus.  

Am nächsten Tag, Sonntag, den 31.7., Stadtrundfahrt durch das deutsche, historische Görlitz und durch den polnischen Teil, über der Neiße gelegen. Irgendwie erfasste mich Stolz, den westdeutschen Mitreisenden das schöne, alte Görlitz zu zeigen, mit seinen restaurierten, Spätgotischen-, Renaissance-, Barock- Bürgerhäusern und dem ausgedehnten Gründerzeitviertel. Ein unerkannt bleibender Gönner schenkt der Stadt jedes Jahr für Restaurierungszwecke 500.000 €. Der polnische Teil profitiert nicht davon. Das Problem, was beide Stadtteile haben: sie finden keine Mieter für die restaurierten Wohnungen.

 

Am Nachmittag schauten wir in Ostritz, im Kloster Marienthal, vorbei. Leider hatte Hochwasser gewütet und große Schäden hinterlassen. Die Kapelle war ausgeräumt. Überall traf man auf Baustellen.

Am Abend aßen wir zum ersten Mal ein polnisches Nationalgericht – Piroggen, mit Sauerkraut gefüllt. Die Tischgespräche wurden recht lebhaft geführt. Ein allgemeines Wiedersehen, ein Kennenlernen, viel Vergangenes, Erlebnisse aus Flüchtlingszeiten wurden ausgetauscht. Ich war ein gespannter Zuhörer.  

Am Montag, 1.8., fuhren wir in Richtung Krakau über Breslau. In Breslau umrundeten wir den Markt mit dem Renaissance Rathaus und den restaurierten Bürgerhausfassaden. Ich schaute im Schweidnitzer Keller vorbei, in den meine Mutter einst gern eingekehrte war, sah mir den Altar in der Elisabeth Kirche an, an dem sie getauft, konfirmiert und getraut wurde. Meine mütterliche Verwandtschaft stammt aus Breslau. 1945 floh sie vor den Sowjetischen Truppen.

  Weiter in Richtung Kattowitz – Krakau. Auf den Feldern stand noch das Getreide, leider hatte es durch den vielen Regen gelitten. Schlesien zu verlieren war und ist für Deutschland ein großer Verlust.

In Krakau erwartete uns im Novotel, am Stadtrand gelegen, ein 4-Gänge Menü.  

2.8.2011. Der Dienstag begann mit einer Stadtbesichtigung, die uns zum Wawel führte, dem riesigen Burgkomplex auf der Höhe. Im Schloß: Betrachtung von großen Sälen mit Kassettendecken und vielen Gobelins an den Wänden, ein Innenhof mit Galerien, Freskobändern mit historischen Darstellungen.

  Den Mittag verbrachten wir in der Innenstadt, auf dem Markt mit seinen berühmten Tuchhallen, in einem guten Cafe bei Espresso und köstlicher Torte. Der späte Nachmittag war dem Salzbergwerk in Wieliczka, in 140 m Tiefe, vorbehalten: Endlosen Gängen und Treppen unter Tage, ausgeblühtem grauschwarzem Salz, schnellwachsenden Stalaktiten. Die Höhepunkte, große, in Salz gehauene Säle mit Salzplastiken, mussten wir uns hart erkämpfen. Es war eine reichlich anstrengende Tour. Auch hier, unter Tage, wurden wir an den verehrten polnischen Papst, Johannes Paul den II., in Form einer riesigen Salzplastik erinnert.  

Mittwoch, 3.8. In der Innenstadt von Krakau ist die Franziskaner Kirche, gegenüber dem bischöflichen Palais. Sie ist etwas Besonderes mit ihren Jugendstil - Glasfenstern voller floraler Motive, wie Butterblumen, weißen Lilien und Schwertlilien. Auch die Ausmalung der Wände zeigte Stiefmütterchen, Mohnblumen, Kapuzinerkresse. So etwas hatte ich in einer Kirche noch nicht gesehen. Papst Johannes Paul hat das auch zu schätzen gewusst und sie oft besucht.  

Besichtigung der zweitältesten Universität Europas, der Jagellonen-Universität, gegründet von der heiligen Hedwig 1364. Kopernikus studierte hier, in der Neuzeit studierte und lehrte hier Papst Johannes Paul. Bibliothek, Versammlungsräume, auch Eß- und Wohnzimmer der Professoren wurden gezeigt. Den Nazis dienten sie als Büroräume.  

Wir waren dabei, als in der Marienkirche die Flügel des Veit-Stoss-Altares geöffnet wurden und der Trompeter auf dem Turm sein Solo abbrach, zur Erinnerung an den Tatarenangriff, als ein Pfeil dem Trompeter durch die Kehle geschossen worden war.  

Oft wurde ich von Frau Freiger aufgefordert mit ihnen zu gehen, d.h. dem Ehepaar Freiger und ihrer Großnichte Sylvia, so auch an diesem Abend, wo wir im jüdischen Viertel Kasimierz bei Klesmer-Musik einkehrten. Ein stimmungsvoller Sommerabend. Der Ziegelsteinbau der alten Synagoge, der jüdische Friedhof, die übriggebliebenen, unrestaurierten Wohnhäuser bildeten eine mir nicht vertraute Kulisse. Das eigentliche jüdische Ghetto in Podgorze liegt über der Weichsel.

Als polnische Leckerei kaufte ich mir Torunskie Piernike = Thorner Kathrinchen, um sie anzubieten und selber zu essen.

Donnerstag, 4.8. Auf zu neuen Ufern - eine lange Busfahrt stand uns bevor, etwa 10 Stunden durch grünes flaches Land, auf Autobahn und holpriger Landstraße. Unser Ziel: Das Hotel Dworek-Wapionka in Gorzno, direkt am See gelegen. Ein idyllisches Fleckchen Erde, bestehend aus einer alten Mühle mit Mühlrad und 2 Gästehäusern. Es wurde für 5 Übernachtungen unsere Bleibe.

 Für unsere Teilnehmer begannen die Besuchsfahrten im Heimatkreis Neumark - Löbau, und in angrenzende Kreise wie Strasburg und Deutsch-Eylau.

Freitag, 5.8. In Neumark besuchten wir die Thomaskirche, Backsteingotik mit vielen goldenen Altären, zugestellt mit Figuren und Blumenvasen. Die Schlichtheit der Gotik kam nicht mehr zur Geltung. Die neuen Häuser und Villen mit gepflegten, blumenreichen Vorgärten fielen mir auf.  

In  Löbau, am Marktplatz, haben wir in einem Imbiß Pizza gegessen. Hier blieb uns die gotische Stadtkirche verschlossen. Die ehemalige evangelische Johanneskirche ist heute eine katholische Kirche. Der evangelische Friedhof wurde nach 1945 zerstört, danach ein Teil zu einem Park umgewandelt, in dem, wie nunmehr in Eichwalde, seit 2004 ein von Prof. Freiger und dem Heimatkreis iniziierter Gedenkstein  steht, darauf aufmerksam machend, der Park war einst ein evangelischer Friedhof.  

Wir lernten das jetzige Strasburg (Brodnica) kennen, die evangelische Kirche besuchen. Sie wird jetzt von der katholischen Gemeinde benutzt. An den Wänden eine Kreuzwegdarstellung. Die Halbreliefs waren in die Wand eingelassen.

Sonnabend, 6.8. Fahrt nach Eichwalde (Debien), Einweihung des Mahnmals für den evangelischen Friedhof 1864 -1945. Hier hatte auch die Großmutter von Prof. Freiger ihre Grabstelle. Der Großvater war auf dem Rittergut Kattlau (Katlewo), was noch erhalten ist, Förster. Es kamen zur Einweihung Einwohner des Ortes zusammen mit ihrer Gemeindevorsteherin, der katholische Priester aus Rumian und der evangelische Pfarrer aus Soldau, der Dekan aus Rybno mit lila Schärpe als Repräsentant der katholischen Kirche. Wie unser evangelische Pfarrer, Herr Steege, verwandte ein jeder seine Muttersprache, die zum Teil in deutsch bzw. in polnisch übersetzt wurden – durch Frau Kardela. Die Geistlichkeit zusammen übermittelte ihren Segen. Eine würdevolle Feier, umrahmt von Klarinettenmusik, gespielt von einem Weimarer Musikschüler. Auch andere Honoratioren kamen zu Wort, unter anderem Herr Professor Freiger selbst. Anwesend waren auch der Vertreter der deutschen Minderheit und der Förster des Ortes.  

Am Abend der offizielle Empfang mit gemeinsamem Abendessen im „Mühlenhotel“. Der Raum füllte sich mit frohgestimmten Leuten. Leider kam es durch die Verständigungsschwierigkeiten zu keiner verbindenden Gemeinsamkeit. Man blieb unter sich.

Sonntag 7.8. Fahrt durch Masuren. Mir fallen die Orte Lautenburg ein, auch Soldau, Kreis Neidenburg. In Ortelsburg unser erster Stop - roter Ziegelstein, die Reste einer Ordensburg. Es wurde ein warmer Sommertag. Aus der Kirche im Neubaugebiet strömten die Einwohner in beachtlicher Zahl. Wir fuhren durch eine hügelige, seenreiche Landschaft, schilfbewachsene Ufer, Störche auf Dächern und Feldern, alte Kiefernwälder.

Nikolaiken, das Sylt der Masuren, hätten wir uns eigentlich schenken können. Touristenrummel am Sonntag -Yachthafen voller Segel - u. Motorboote – Andenken- und Bernsteinläden in großer Zahl. Weiter nach Sensburg (Ostrezka) mit seinen Kasernen. Dann nach Allenstein, was schon Großstadtcharakter hat. Man sah es an den üblichen Supermärkten wie z.B. Obi, Kaufland, und Lidl. Außerhalb der alten Stadttore moderne Bauten, 12-stöckige Wohnhäuser. In der Altstadt die Backsteingotik der Ordensburg, das Kopernikus - Denkmal, die schmalen Gassen, die Hausfassaden mit ihren Barockgiebeln. Auf dem Markt ein buntes Treiben, viel Musik. Cafes luden zum Verweilen ein. Ein Sonntagabend im Sommer.  

Montag, 8.8. Der Oberlandkanal ruft. Schon 4°° Uhr aufstehen, um rechtzeitig nach Osterode zu kommen. Die Schiffsfahrt dauerte über 10 Stunden und war recht anstrengend. Wir fuhren vom Anfang bis zum Ende ohne auszusteigen. Das Ufer trat ganz nahe an den Dampfer heran. Wir durchfuhren große Seen mit gelben Teichrosen u. rosa Seerosen. Die Seerosenblätter wurden von der Bugwelle eingesogen und wieder ausgespuckt, die Wasserlinsen, zusammen mit dem Pfeilkraut, wiegten sich im Wasser. Graureiher u. Schwäne wechselten sich ab. Die Schwäne zogen würdevoll an uns vorbei. Die Graureiher ließen sich gut fotografieren. Die Attraktion der Fahrt war das Schleppen des Schiffes über eine grasbewachsene schiefe Ebene in einem Eisenkäfig. Die alte Technik bewährt sich noch immer, desgleichen die kleinen Schiffshebewerke mit ihren Schleusenkammern. Sie haben das Schiff auf das jeweilige Niveau gehoben. Endstation war Elbing (Elblag).  

 

 

 

 

 

 

Dienstag 9.8. Wir verließen unser Mühlen-Hotel, um in Richtung Danzig zu fahren. Wir durchfuhren Kulmsee, den Bischofssitz der Diözese Kulm, wo das Domkapitel residierte (der Bischof residierte in Löbau), und hielten auf dem Marktplatz in Kulm mit seinem graublauen Rathaus.  

 

 

Wir wollten die Ordensburg Marienburg besuchen. Das Land wurde flach - zwei einsame Windräder standen am Horizont - die Europa-Straße war gut asphaltiert. Die Felder wurden großflächiger, mit ihnen auch die vereinzelt stehenden Gehöfte. Tankstellen in großer Zahl an der Straße. Man sah ganz wenige Autos mit deutschen Nummernschildern. Kurz vor Marienburg Stau. Die Marienburg, ein gewaltiger Komplex, gelegen an der Nogat ( 12. – 14. Jahrh.), ist die größte Burganlage Europas. Kommt man über die Weichselbrücke, so bietet die Burg einen imposanten Anblick. Sie war vom Orden gebaut worden und auch ihr Regierungssitz, dann kam sie unter die Herrschaft des polnischen Königs, u. zum Schluß zu Preußen. Für die Nazis hatte die Burg einen durch Mystik überladenen Symbolwert deutscher Stärke. 1945 zur Festung erklärt – die Ostseite völlig zerstört und von den Polen wieder aufgebaut. So hat sie sich uns präsentiert, ein touristisches Ziel von besonderer Anziehungskraft.  

 

Die Musikschule in Danzig bot uns Unterkunft in hohen, einfach eingerichteten Internatszimmern mit Dusche. Die Stadt war vollgestopft mit Buden bei unserem abendlichen Spaziergang, es war Jahrmarkt.

Mittwoch 10.8. Danziger Stadtführung zu Fuß. Auch hier Touristen über Touristen. Die wiederaufgebaute Altstadt hinterließ einen unvergesslichen Eindruck. Es hat mich sehr berührt, was und wie die Polen aufgebaut, gestaltet und restauriert haben. Denn der II. Weltkrieg hat so viele Wunden geschlagen und es blieben Unversöhnlichkeit u. Hass zurück. Zum Erstaunen brachte mich auch der Besuch der Brigitten-Kirche. Sie ist das moderne Nationalheiligtum der Solidarnosc. Auch ist sie ein Mahnmal für die Toten des Flugzeugabsturzes 2010 über Katyn und für den Bischof, der im Auftrag von Papst Johannes Paul den Aufstand für Freiheit unterstützte.

  

 

Donnerstag 11.08. Unfreundliches Wetter – der Bus fuhr erst nach Oliva. Die Uhr in der Kathedrale ähnelt der im Straßburger Münster, die Kathedrale ist der Sitz des Bischofs der Danziger Erzdiözese und das älteste und prächtigste Denkmal von Pommerellen. Im Regen kamen wir in Zoppot an. Es machte uns Mühe, die große Seebrücke zu finden. Dort zerstreute sich die Gruppe und ich bekam eine Heidenangst, als ich merkte, daß ich allein in dem Touristentrubel stand. Eine Erleichterung, als ich doch noch Herrn und Frau Freiger sah. Zoppot ist auf der Strandseite ein typisches Seebad, in den äußeren Bezirken eine moderne Stadt mit Neubauten und Supermärkten. Bei Regen verliert so ein Ort halt an Charme.  

Freitag, 12.8. Es geht in Richtung Heimat, zunächst nach Stettin. Es wird unheimlich viel gebaut, vor allem Straßen und Tankstellen. Der Kreisverkehr, nicht die Ampel, ist die Lösung im polnischen Autoverkehr. Lauenburg (Lębork) tauchte auf. In Stolp legten wir einen Zwischenstopp ein. Dort hielt ein Stadtpolizist die aufdringlichen Bettler vom Bus fern. Es war lustig. An Kolberg sind wir vorbeigefahren. Im Regen, kurz vor Stettin, gerieten wir in eine Polizeikontrolle. Aufregung und Ärger während der langen, ungewollten Wartezeit. Der Fahrer fühlte sich zu Recht ungerecht behandelt. Von viel Geld war die Rede. Die Autobahnpolizei war technisch sehr gut ausgerüstet und konnte sich bei ihrer Anschuldigung auf vermeintliche Fakten stützen, Allerdings hatte sie ein Teil der Fahrttermine manipuliert, wie sich später aus dem Protokoll ergab. Schließlich gelangten wir doch noch in unser Stettiner Hotel an den Hackeschen Terrassen. Es war mittlerweile schon dunkel geworden. Aber die Terrassen haben wir, einige doch be sucht.

Samstag 13.08. Aufbruch in aller Frühe — von Stettin erhielten wir keinen Eindruck. Bis Berlin war es nicht mehr weit. Die Sonne schien zum Abschied. Der Fahrer, ich muss ihm mein Lob für seine Fahrweise und seine Geduld mit uns aussprechen, hätte doch beinahe meinen Ausstieg an der Berliner Autobahn verpasst.

So ging eine Reise zu Ende, die ich allein mit Neugier und ängstlichen Gefühlen antrat und die für mich als Bereicherung endete. Darum herzlichen Dank an Prof. Freiger und Gattin für Freundlichkeit und Hilfe. Für Sie beide war es eine große organisatorische Leistung. Dank an Herrn Dr. Schaper für seine freundliche Begleitung und Dank der charmanten Sylvia, die uns mit ihren polnischen Sprachkenntnissen oft geholfen hat.

Der Bericht erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Manches ist mir entfallen, einiges vielleicht von mir leicht abgeändert.

 

 Christa Wieland (Aue)

 

 

 

Eine ganz persönliche Erinnerung

 an die Fahrt vom 30.7. – 13.8.2011

 

Aus der Zeit des ersten Jungendtreffens zwischen polnischen und deutschen Jugendlichen im Zeltlager in Hude 1999 stammt unsere Bekanntschaft und Wertschätzung. Mgr. Joanna Kardela war es, die von polnischer Seite – gegen viele Widerstände – damals zu seinem Zustandekommen, seinem Erfolg beigetragen hat. Aus dem übrigens auch die Partnerschaft zwischen den Kreisen Oldenburg und Neumark erwuchs.

Unsere Bekanntschaft blieb im Laufe der Jahre keine solche, es wurde mehr. Dafür sorgte die Zeit, sorgten die Ereignisse – z.B. ein Unfall mit unserem Wagen, der uns, sie und Dr. Alina Kopiczyńska fast das Leben gekostet hätte – hätte nicht jedem von uns ein Schutzengel zur Seite gestanden.

Natürlich nutzten wir – wie immer – auch dieses Mal die Gelegenheit, uns über Vergangenes und Gegenwärtiges, über Erlebtes auszutauschen, der Zeit, in der man keinen persönlichen Kontakt hatte, ein Gesicht zu geben. Und ich erzählte ihr u.a., dass wir, kurz vor der Fahrt, von Dieben heimgesucht wurden, all‘ unser Schmuck gestohlen worden ist: Schmuck unserer Urgroßeltern, Großeltern, Eltern – Stücke, die mein Mann für mich entworfen hat und anfertigen ließ, die ich ihm schenkte. Joanna Kardela bedeutete mir, wie sehr sie meine Traurigkeit über den ideellen Verlust nachempfinden könnte, zog einen goldenen Ring von einem ihrer Finger und gab ihn mir mit den Worten: „Der soll Dich über Deinen Verlust ein wenig hinwegtrösten und ein Neuanfang sein.“ Das war für mich die berührendste, beglückendste Begebenheit dieser Tage.

Kann polnisch - deutsche Verständigung, nein, Freundschaft, besser gelebt werden? Wie wunderbar ist Freundschaft! Da spielt es keine Rolle, welcher Staatsangehörigkeit der andere angehört. Lässt das nicht auf Europa hoffen, den ewig Gestrigen, hüben und drüben  zum Trotz?

Hannelore Freiger

 

 

 


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