Klostertor-Kirche St. Elisabeth, Hude 

         Der Drewenzbote !

      Heimatbrief des Kreises Neumark/Westpreußen 
       und seiner Stadt- und Amtsbezirke



 Nr. 114   Juni  2009
 

Löbau/Westpr.                 (Lubawa)        
  Neumark/Westpr. (Nowe Miasto   Lubawskie)
 

Redaktion: Prof. Stephan Freiger, 

Hannelore Freiger und Superintendent Rudolf Steege


 

Woher kamen die Vertriebenen des Kreises Neumark?

Jahrelang haben wir die Adressen der Vertriebenen aus dem Kreis Neumark gesammelt, um den Drewenzboten zu verteilen und, soweit mitgeteilt, auch die Geburtstage im Drewenzboten und in der Zeitschrift der Landsmannschaft „Der Westpreusse“  zu veröffentlichen.  Leider haben wir nicht alle ausfindig machen können. Ein Teil der in der alten Bundesrepublik lebenden Landsleute hat sich nicht gemeldet und in der DDR war es nicht erlaubt, einem Vertriebenenverband anzugehören. In der DDR gab es keine Vertriebenen, sondern nur  “Umgesiedelte“. Die gern gemachte Unterscheidung zwischen Vertriebenen und Flüchtlingen hat dazu geführt, dass man glaubte behaupten zu können, Flüchtlinge seien keine Vertriebenen, denn sie haben ihre Heimat freiwillig verlassen, so wie jemand, der heute von Hamburg nach München zieht, oder umgekehrt. Das hört man auch von manchem Polen. Dem ist nicht so: Geflüchtet ist man vor der anrückenden Roten Armee und den Gefahren während der möglichen Kampfhandlungen und vor den Ausschreitungen der Soldateska. Die Vielen der Zurückgebliebenen, die getötet wurden und die Vergewaltigungen  vieler Frauen, gaben den Geflüchteten recht. Natürlich wollten sie wieder zurück. Keiner verlässt Haus und Hof ohne Grund auf Dauer. Eine Rückkehr wurde ihnen jedoch verwehrt. Aus Geflüchteten wurden Vertriebene.

Bevor wir der Frage nachgehen, aus welchen Orten die Vertriebenen des Kreises kommen, sollten wir wissen, um wie viele Menschen es sich handelt. Vor 1920  betrug der Anteil der Deutschen über 20 %. Also bei einer Gesamtbevölkerung des Kreises von ca. 60-Tausend waren es 12-Tausend.

Als der Kreis Neumark an das neuentstandene Polen fiel, verringerte sich der Anteil der Deutschen bis zum 1. September 1939 – Kriegsausbruch – auf ca. 3%, bei einer Einwohnerzahl von ca. 62-Tausend, auf  ungefähr 1860.  Also haben zwischen 1920 und 1939 über 10-Tausend den Kreis verlassen. Dabei handelt es sich um die deutschen Beamten aus Verwaltung, Justiz und Schulen, dann um die, die nicht in Polen leben wollten, aber auch um die, die nicht freiwillig gingen, denen z.B. ihre Höfe vom polnischen Staat konfisziert wurden, um sie an Polen zu geben.

In der Adressenliste des Heimatkreises sind über 1600 Vertriebene aus dem Kreis Neumark enthalten, also wahrscheinlich doch der größte Teil, auch wenn darin diejenigen mitenthalten sind, die während des Krieges nach Neumark gekommen sind, darunter auch manche Rückkehrer, also die, die 1920 – 1939 die Heimat verlassen hatten. Von den Vertriebenen, die in der DDR gelandet waren und dort geblieben sind, hat nur eine kleine Zahl nach der Wiedervereinigung  den Weg zum Heimatkreis gefunden.

Die ehemaligen Geburts- und Wohnorte liegen mir von 1360 Vertriebenen vor.

In der nachfolgenden Liste sind die Zahlen (Spalte 2) der uns bekannt gewordenen Vertriebenen nach ihren Ursprungsorten aufgeführt. Um es übersichtlich zu machen, werden sie nach den beiden Städten und den Amtsbezirken (Spalte 1) aufgeführt. Die Liste ist der Größe nach (Spalte 2) geordnet. In Spalte 3 sind alle Orte eines Amtsbezirks aufgeführt, in denen Deutsche gewohnt haben (soweit uns bekannt). Auch hier sind die Orte der Größe nach (Anzahl der Deutsche) geordnet.

 

Stadt oder Amtsbezirk

Anzahl der

Deutschen

Orte mit  den ehemals jeweils

meisten Deutschen

Nach Größe der Anzahl geordnet

Stadt LÖBAU

308

Stadt Löbau  -  Körberhof

Stadt NEUMARK

202

 Stadt Neumark

NEUHOF

136

Escherlin (Grischlin) – Neuhof – Krossel (Chrosle) – Radem (Radomno) –Mispelwald (Jamielnik) – Scharlen (Skarlin) –Erhardsdorf (Lekarth) - Ludwigslust

LÖBAU Land

134

Tinnwalde – Fienau (Fiewo) – Samplau – Tergewisch – Bischwalde – Mortung - Lossen

GRODDEN

113

Kulingen – Jung-Moschen - Moschen (Mroczno)– Grodden (Grodziczno) - Neugrodden – Seinskau - Lorken

NEUMARK Land

93

Brattian – Tillitz – Quesendorf (Gwisdzin) – Petzelsdorf (Groß Pacoltowo) – Neberhof (Prangowisno)

GROßLINKER

78

Groß-u.Klein Linker (Lonkorsz) - Kl.Rehwalde – Schildern (Ostrowitt) – Petersdorf – Summin – Wückersdorf (Lippinken) – Warden (Wardengowo)- Partenschin

MARNAU

75

Groß u. Klein Ballen (Ballowken) – Wawer (Wawerwitz)– Marnau (Marzenzitz) –Resendorf (Terreschewo) – Ostrau  – Thomasdorf – Kemmen (Kamionken) – Nickelshöhe (Nikolaiken) – Otterwald (Otremba)

KORTENSEE

28

Schwarzenau  – Fitte (Fittowo) – Wonne (Wonno) – Schakenhof  - Buscheck  - Kortensee (Krottoschin)

ROSENTAL

21

Rosental – Grabau -  Pommerken (Pomierken)- Kasenitz (Kasanitz)

PRONIKAU

16

Lobenstein – Pronikau – Güldenbach (Zlottowo) – Schweinichen (Zwiniarz) – Stephansdorf – Mole (Omulle)

KAUERNIK

15

Kauernik – Elistal (Ellisthal) – Bratisdorf (Bratuschewo) - Krumau (Krzemieniewo)- Sugain (Sugainko)

KÖLPEN

14

Rohrfeld – Renk (Rynnek) – Kölpen (Kielpin)

RÜBENAU

11

Rübenau (Rybno) – Eichwalde –

Hartwitz (Hartowitz) – Heikenwalde (Truschin)- Erlengrund

 

1.244

 

 

Um auch in einer Kreiskarte zu zeigen, in welchen Orten im Kreis Neumark die Vertriebenen geboren wurden und/oder gelebt haben, habe ich dieses  in eine alte Karte eingezeichnet (siehe nachfolgende 2 Seiten). Um es übersichtlich zu machen, habe ich für die beiden Städte und die Amtsbezirke jeweils nur einen Punkt gewählt, bei dem die Größe des Punktes die Anzahl wiedergibt. Der dazu genannte Ortsname ist nicht immer der Name des Amtsbezirks, sondern der Name des Ortes mit den ehemals meisten Deutschen in diesem Amtsbezirk.

Stephan Freiger

   

 

 

    

Monographie des Dorfes Lonkorsch (Großlinker)

Herr Edmund Tessmer, der Vorsitzende des Deutschen Vereins in Neumark, hat uns die Diplomarbeit eines Schülers des Pädagogischen Lyzeums in Graudenz  - von Frau Joanna Kardela aus dem Polnischen übersetzt – zugesandt, die dieser – er  heißt übrigens Stefan Majewski – 1939 gefertigt hat. Es ist eine „Monographie des Dorfes Lonkorsch“ , in dem er von 1937 bis 1939 lebte.

„Lonkorsch hat 1193 Einwohner. Es gehört zum Löbauer Kreis, in dem es, die Größe betreffend, den dritten Platz einnimmt. Lonkorsch ist ein Straßendorf, das 800 ha umfasst. Zu ihm gehören, laut Karte, die Siedlungen Wichertowo (Wichertsburg) , Stremlatowo  und Mec, benannt nach den Eigentümern der dort ehemals angesiedelten Bünde, die jetzt zerstückelt sind.

Das Lonkorscher Gebiet war schon im Altertum besiedelt. Funde, z.B. ein Steinhammer und andere Steingegenstände, bezeugen es. Pfosten einer uralten Siedlung  sind im See Lonkorsch bei Niedrigwasser zu besichtigen (1939! d.R.) . Und man fand Silbermünzen mit Nero´s Bildnis.

Das heutige Lonkorsch ist im 14. Jahrhundert entstanden, gegründet von den Kreuzrittern, die  im 15. Jahrhundert  die auf einem Hügel gelegene katholische Kirche erbauten.  Sie blieb vor einer Zerstörung während der schwedischen Invasion im 17. Jahrhundert, anders als das Dorf, bewahrt.

Die evangelische Kirche ist ein Geschenk des Gurtsherrn Dr. Lange (siehe dazu Anmerkung auf S.16 d.R.).

Die Häuser von Lonkorsch sind vorwiegend aus Stein, bedeckt mit Dachziegeln oder Dachpappe. Acht Häuser bestehen aus Holz, gebaut vor 80 Jahren (gerechnet von 1939! d.R.). Die Höfe sind so strukturiert, dass meistens das Wohnhaus von Schuppen und Stall getrennt ist. Es fällt auf, dass die Häuser auf  ihrer südlichen Seite grün bemalt sind. Dort wächst Wein, dessen Trauben  von den ansässigen Gastwirten geerntet werden. Neben den beiden Kirchen hebt sich der Gasthof von Herrn Kusimski von den anderen Häusern im Dorf ab. Es ist alt, noch älter sind seine Grundmauern. Ein sehr  schönes Gebäude ist das der Oberförsterei. Zwei Windmühlen – eine gemauerte und eine hölzerne – ein Sägewerk und eine Schule runden das Bild des Dorfes ab. Die Umgegend ist waldig. Die Entfernung zum Wald beträgt 2 km. Die Seen in der Umgebung sind 2 bis 3 km entfernt.

Die Gesundheitlichen Bedingungen.

Lonkorsch befindet sich auf Sumpfgelände. Nur 5 Gebäude sind trocken, die anderen nass. Die Bewohner der nassen Häuser sagen oft, dass sie im Haus „laufendes Wasser“ haben. Im Frühling 1938 hat sich ein Bauer ein Haus gebaut. Im Herbst konnte man bemerken, dass die Mauern einen halben Meter über dem Boden feucht waren.

In den Schulkellern gibt es eine Pumpe, die das Wasser sammelt. Täglich pumpt man wenigstens einen  großen Behälter voll  Wasser ab –  mit dem Ergebnis, dass es in der Schule keine Feuchtigkeit gibt.

Eine Wohnung besteht aus einer oder mehr Kammern, das hängt von dem Vermögen der Bewohner ab. Die Arbeiter haben meistens eine oder zwei Kammern. Die sich Besserstehenden, wie Besitzer größerer Höfe und Beamte,  haben 3-4 Kammern.

Das Wasser im Dorf ist rötlich, reich an Eisenverbindungen, nicht trinkbar. Um einen Tee zuzubereiten, muss es zweimal gekocht werden. Die meisten Höfe besitzen Brunnen und Pumpen. Außerdem gibt es im Dorf zwei Hauptbrunnen. Sie sind aus Holz gemacht, mit Glas bedeckt und 10 Meter tief. Die Menschen nehmen sich aus diesen Brunnen Wasser mit einem befestigten Eimer.

Es wird gesagt, dass die Luft im Dorf besser als Luft in der Stadt ist. Teilweise kann ich zustimmen. Aber nicht immer ist die Luft im Dorf besser, zum Beispiel nicht im Winter. Von November bis März werden die Wohnungen nicht gelüftet. Fenster sind geschlossen, mit  Moos abgedichtet. Das hat den schlimmsten Einfluss besonders auf die Gesundheit der Kinder. Ich war einmal in solch einer Wohnung und muss sagen, dass die Luft da schrecklich war. Noch schrecklicher ist sie, wenn jemand, z.B. der Bauer, im Winter dreschen geht. Dort ist die Luft warm und staubgeschwängert.

Oft lassen die Landwirte ihre Kinder Vieh weiden. Um 5°° Uhr früh treibt das Kind Vieh auf die Weide, um 8°° Uhr geht es in die Schule. Nach der

Schule kümmert es sich wieder ums Vieh. Ein solches Kind kann sich nicht gut entwickeln. Kinder helfen ihren Eltern auch oft beim Hacken. Den Schulunterricht versäumen sie oft.

Im Dorf fehlt die feste ärztliche Betreuung. Der nächste praktische Arzt wohnt in Biskupiec (Bischofswerder II), 4 Kilometer von Lonkorsch entfernt. Er hat ein Motorrad, kommt also relativ schnell zu jedem Kranken. Donnerstags praktiziert ein Zahnarzt aus Graudenz in Lonkorsch.

Der Wohlstand der Siedlung.      

55% der Einwohner sind Bauern, 35% Waldarbeiter, 5% Handwerker, 3% Beamte, 2% haben freie und andere Berufe. Vier Familien sind arbeitslos. Sie bekommen Beihilfe vom Arbeitsamt.

Die Bauern besitzen 2 bis 50 ha Land. Zum Dreschen benutzen sie eine Dampfmaschine oder einen Motor. Sogar die ärmsten Einwohner dreschen mit der Maschine und nicht mehr mit dem Dreschflegel. Die reicheren besitzen eine Dampfmaschine. Die Maschinen werden nach dem Dreschen den Bauern anderer Dörfer ausgeliehen. Der Preis für das Ausleihen der Maschine wird nach der Zahl der Tage berechnet. Der Motor kostet pro Tag 5 Zloty und die Dampfmaschine 40 Kilo Weizen, plus vom Benutzer zu stellendes Holz. Manche Bauern arbeiten noch nebenbei und bekommen aus der Nebenarbeit häufig mehr Geld als aus der Arbeit in der Landwirtschaft. 21 Bauern besitzen Bienenbeuten. 

Im Dorf befinden sich  2 Geschäfte, 2 Bäckereien, 4 Metzgereien, eine private Molkerei, 2 Windmühlen, 2 Schmiede, 3 Schumacher, 4 Schneider, 2 Tischler.

39  Haushalte besitzen einen Radioapparat, 26 mit Lautsprecher und 10 mit Kopfhörer. Es gibt auch im Dorf 7 Fernsprechapparate. Zwei Familien haben elektrische Beleuchtung: der Besitzer des Sägewerks und ein Tischler. Der Tischler hat sich einen großen Akkumulator gekauft, mit dem er Strom gewinnt.  Viermal im Jahre finden im Dorf Bauernmärkte statt.

Die Berufsbildung der Jugendlichen.

Die Berufsausbildung beginnt eigentlich schon in der dritten Klasse der allgemeinen Schule. Die Kinder lernen Haustiere, Pflanzen und ihre Krankheiten kennen. Sie erfahren etwas über Keimung der Pflanzen, über ihre Eigenschaften. Das alles kann ihnen in ihrem zukünftigen Beruf, in der Landwirtschaft,  nutzen. Aber nicht alle werden Landwirte.

Wenn ein Kind die Schule besucht, haben seine Eltern mit ihm keine Probleme. Erst nach dem Schulabschluss bereitet den Eltern das weitere Schicksal ihres Kindes viele Sorgen, vor allem gibt es finanzielle Probleme.   

 

 

Sie müssen entscheiden,  ob ihr Kind weiter lernt  oder zum Meister, in die Lehre, geht. Weiteres Lernen kostet, nicht nur Unterhalt.

Die ärmeren Eltern schicken ihre Kinder meistens zu hiesigen Lehrmeistern. Von großem Vorteil ist die Tatsache, dass sich bei uns 
viele Meister verschiedener Berufe befinden. Viele Jugendliche fahren in die Stadt, um dort weiter zu lernen.

 
 
 
 
Die Sozial- sittliche Kultur der Gesellschaft.


  Die Umgebung hat großen Einfluss auf alle Wesen, die in ihr leben. Die wichtigsten Faktoren, die in der Umgebung wirken,

sind: 1. Familienverhältnisse, 2. Verhältnisse unter Nachbarn, soziale Fürsorge, 3. charakteristische gute und schlechte Symptome

der Moralität. Die Familienverhältnisse hängen von den Charaktereigenschaften der Menschen ab. In der Regel spielt der Vater

in der Familie die wichtigste Rolle. Der Vater verfügt über Geld, leitet die Tagesarbeit. Er kauft und verkauft Tiere und verfügt

über das Vermögen der Familie. Er bemüht sich, die Kinder auszurüsten. Es ist schlimmer, wenn die Mutter den Haushalt führt

(wie z.B. bei der Familie O.). Dann verfällt das Hab und Gut. Obwohl sie 20 ha haben, ist ihr Lebensniveau sehr niedrig, weil sie

 verschuldet sind. Alle in der Landwirtschaft nötigen Geräte leihen sie von Nachbarn. Sie haben eine Kuh und 6 Kälber.

Die Verhältnisse unter den Nachbarn sind lobenswert. Die Familien O., U. und Nies. helfen einander bei der Arbeit,

z. B. bei der Kartoffelernte. Maschinell werden die Kartoffeln z. B. bei O.  ausgegraben  und die Kinder der Familien U. und N.

sammeln sie; genau so geschieht es bei U. und N. Im Winter helfen sich die Familien bei der Holzabfuhr. Im Sommer arbeiten sie

zusammen bei der Ernte.

Die Bauern wenden sich aneinander per „Du“ oder „Nachbar“. Der Mann spricht von seine  Ehefrau: „meine Frau“ oder „meine Alte“. 

Zu seiner Ehefrau sagt er „Mutter“ oder „Du Alte“. Kinder wenden sich an ihre Eltern in der Pluralform „Ihr“.

Es kommt manchmal vor, dass die Nachbarn untereinander streiten, auch wenn sie verwandt sind, wie z.B. B. und M.

Das Dorf, von Wald umgeben, lädt zur Wilddieberei ein. Damit bessern die Bewohner einfach ihren Lebensunterhalt auf.

In Lonkorsch gibt es folgende Organisationen: Katholische Jugendgesellschaft, Chor, Rosenkranzgilde, Zirkel der Landwirte,

Feuerwehr. Die Versammlungen der Organisationen finden meistens im Pfarrhaus statt.

 

 

Das Öffentliche Leben in der Umgebung.

 

Die niedrigste Organisationseinheit des öffentlichen Lebens ist der Ort. Die Zahl der Leute im Ort ist grundsätzlich nicht größer als 2000.

Die ausführende Macht hat hier der Schulze, dem der Ortsvorstand mit 3 Schöffen hilft. Der Schulze führt die vom Ortsrat verabschiedeten

Beschlüsse aus. Der Ort führt die Verwaltungsbeschlüsse aus und schützt die Bevölkerung. Der Schulze führt Aufsicht über die Brunnen,

gibt die Bescheinigungen über die Geburt von Tieren aus. Wenn eine Person, die Recht auf Behindertenhilfe hat, Geld aus der Sparkasse

bekommen will, muss sie sich zuerst beim Schulzen melden, um von ihm die entsprechende Bescheinigung zu bekommen. Wenn die Wege

in schlechtem Zustand sind, kann die Verwaltung des Ortes beschließen, dass einige Gastwirte Sand zur Verbesserung der Wege liefern.

Die Gemeinde Lonkorsch besteht aus 7 Orten. Ihr steht der Vogt, Herr Tuzimski, vor (er bekommt ein Gehalt in Höhe von 75 Zloty

monatlich). Die Gemeinde besitzt eine Kanzlei, die von Herrn Sarnowski (dem pensionierten Polizisten)  geführt wird (er bekommt 217 Zloty

monatlich). Der Gemeinderat besteht aus 20 Mitgliedern. Die Gemeindeverwaltung ist zuständig für wirtschaftliche Angelegenheiten

(Brücken, Zäune, Gebäude), sie zieht Ausgleichssteuer, Grundsteuer, Straßensteuer,  aber auch die Sparsteuer ein, für die sie sich 1-3%

von der Gebühr gutschreibt. Die Gemeinde gewährt Darlehen, unterstützt Arbeitslose.Sie verteilt Gelder an die Schulen, z.B. für die

zusätzliche Verpflegung der Schulkinder, für Schulbücher armer Kinder, für Unterrichtsmittel. (Es ist einmal passiert, dass man kein

Geld für den Einkauf von Tinte hatte).

Die Gemeinde zahlt die ärztlichen Behandlungen des Herrn Wiśniewski (des Schulleiters ? d.R.) und unterstützt die Feuerwehr.

 
Das Schulwesen.

 

Die Faktoren, die den größten Einfluss auf die Entwicklung des Schulwesens haben, sind: Schule, Zeitungen, Kurse, Lesen, Radio, Berufs-

Religions- Sozial- und  Politikvereine.

    Die Schule in Lonkorsch stammt aus dem Jahre 1880. Es ist eine Schule dritten Grades, 5 Lehrer unterrichten an ihr. Sie wird z.Zt. von 273 

Kindern besucht. Am Ende jedes Schuljahres wird im Wald ein Fest veranstaltet, an dem die Schüler durch Aufführungen aktiv teilnehmen.

Im vorigen Jahr hat die Schule fürs Publikum eine Ausstellung der Handarbeiten der Schülerinnen organisiert. Die Ausstellung erfreute sich

großer Popularität, vorwiegend unter jungen Leuten. Seit zwei Jahren wird in der Schule die Schulzeitung Poryw  (Anstoß), durch die 6. und 7.

Klasse herausgegeben.  1937 hat die Schule von der Verwaltung der staatlichen Wälder ein Radio gespendet bekommen, sodass die  Kinder

Sendungen für Kinder vormittags  hören können.

Die Lehrkräfte sind auch außerhalb des Schuldienstes engagiert. Vom Kuratorium wird ihnen aufgegeben, Kurse für Dienstpflichtige

anzubieten, deren Inhalt ihnen vorgegeben ist. 42 junge Männer nehme in diesem Jahr daran teil.

 
Das Verhältnis zum Kind und die Stellung des Kindes in der Familie.

Die Kinder in meinem Dorf werden in den Bauernfamilien ausschließlich als Arbeitskraft angesehen. Schon im Alter von 5-6 Jahren muss

ein Kind Gänse weiden und Kühe hüten. Die Eltern kümmern sich um ihr Kind nicht besonders gut. Sie kümmern sich mehr um ihr

Vermögen, als um Familienmitglieder. Sie lassen es allein, ohne Aufsicht. Es bleibt meistens zu Hause oder auf dem Hof, wo ihm viele

Gefahren drohen. Die Kinder der Arbeiter bleiben auch oft ohne Aufsicht der Eltern, weil in der Regel beide Eltern arbeiten.

Auch sie müssen ihren Eltern helfen. Die Hilfe ist anders, schwieriger, nicht angenehm, denn sie müssen bei Fremden arbeiten.

Ich kenne einen Jungen, der während der Sommerferien im Landgut arbeitete, wofür er 50 Groschen täglich bekam. Er arbeitet

nicht nur in den Sommerferien, sondern auch während des  Schuljahrs  und versäumt oft den Unterricht.

Das Interesse der Eltern an den Kindern hängt vom Alter der Kinder ab. Wenn es um Kleidung geht, kauft die Mutter dem Kind

bis zum dritten

Lebensjahr Stoff für Kleidung. Beim Besuch bei Nachbarinnen nimmt sie ihr Kind mit, um sich mit dem Aussehen des Kindes zu brüsten.

Je älter ein Kind ist, um so schlechter ist seine Kleidung. Gewöhnlich bekommt das Kind die Kleidung, die seine Geschwister früher

getragen haben. Neue Kleidung bekommt das Kind im Alter von 16-20 Jahren. Im 20. Lebensjahr erhält ein Junge, nach seinem Vater, 

vorwiegend bessere Kleidung.

Die Kinder der Beamten, Kaufleute und reicheren Handwerker brauchen nicht zu arbeiten. In diesen Familien kümmern sich die Eltern

mehr um ihre Kinder.“

 

Zur Erinnerung: Dem im Text genannten Spender der ev. Kirche in Lonkorsch, Herrn Dr. Lange, geboren und begraben in Lonkorek, 
widmeten wir im Drewenzboten Nr. 12  einen ausführlichen Artikel.  

 
 

Die Arbeit wurde Herrn Tessmer vom Leiter des Regionalmuseums in Lonkorsch, Herrn Ostrowski, 
zur freundlichen  Verwendung überlassen.

 Wir danken dafür                                           

                                                                                                                                                Die Redaktion. 


  Zurück zum Anfang

<< Zur Seite Der Drewenzbote 

<< Startseite