Kirche in Rosental, Kreis Neumark/Westpreußen, heute im Kreis Deutsch-Eylau (Ilawa), der Wojewodschaft Ermland-Masuren

         Der Drewenzbote !

      Heimatbrief des Kreises Neumark/Westpreußen 
       und seiner Stadt- und Amtsbezirke



 Nr. 107     Dezember 2005
 

             Löbau/Westpr. (Lubawa)
  Neumark/Westpr. (Nowe Miasto   Lubawskie)
 

Redaktion: Prof. Stephan Freiger, 

Hannelore Freiger und Superintendent Rudolf Steege


 

 

"Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,

und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr,

sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde,

so sind auch meine Wege höher als eure Wege<

und meine Gedanken als eure Gedanken."  (Jesaja 55, 8+9)

 

Liebe Heimatgemeinde !

 

Ist die Welt noch zu retten? Sind wir noch zu retten? So ist in Jahrhunderten und Jahrtausenden immer wieder einmal gefragt worden. Unhaltbare Zustände breiteten sich aus. Wie sollten sie auf Dauer in den Griff zu kriegen sein? Uns kann schwindlig werden, wenn wir alles gedanklich einordnen und in einen sinnvollen Zusammenhang bringen wollen, was sich in unseren Tagen tut. Rollt die Erde auf den Abgrund zu und wir mit ihr ? Kurze Phasen der Entspannung, der Hoffnung auf ein "Goldenes Zeitalter", werden von Schreckensnachrichten und Katastrophenmeldungen aller Art abgelöst. Ob da ein "starker Mann" Abhilfe schaffen könnte?

Gottes Gedanken richten sich auf ein "schwaches Kind", Gottes Wege führen in einen Stall, Gottes Liebe sucht die Verlorenen, Gottes Macht bindet sich an die Ohnmacht. Wir haben Anlass zu singen : "Christ, der Retter, ist da!"

Welche Gedanken bewegen uns im Blick auf das sich neigende Jahr 2005 ? Welche Erfahrungen mit Erfolgen und Scheitern haben wir gemacht? Wie bewerten wir sie, und wie bringen wir sie ein in das noch vor uns liegende neue Jahr 2006 ? In alle unsere Fragen hinein dringen die uns bergenden Gebetsworte aus Psalm 139, 2 : "Du verstehst meine Gedanken von ferne" und die tröstliche Zusage Gottes nach Jeremia 29, 11 : "Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet."

Meine herzlichen Segenswünsche begleiten Sie und die Ihren in die Christfesttage und in das neue Jahr. Seien Sie Gott befohlen und in heimatlicher Verbundenheit dankbar gegrüßt.

                                                                          

                                                                                                                                    Superintendent Rudolf Steege

 

 

 

Liebe Landsleute!

 

Wenn ich an unser Heimatkreistreffen im September dieses Jahres denke, ist es nicht nur mir, sondern allen Anwesenden, erschreckend bewusst geworden, wie klein der Kreis geworden ist - der Kreis derer, die gekommen sind - die (noch) kommen konnten. Ich weiß von einigen, die gern kommen wollten, aber aus den verschiedensten - meistens gesundheitlichen - Gründen nicht teilnehmen konnten.  Wünschen wir ihnen, dass ihrem Kommen 2007 nichts im Wege steht. Wünschen wir es uns allen.  Und denjenigen, denen es partout verwehrt ist, den Kreis zu vergrößern, mögen, als Bindeglied, den Drewenzboten empfangen und mit uns verbunden bleiben.

Gesegnete Weihnacht und ein gesundes, gutes neues Jahr!

 

                                                                                                                                 Prof. Stephan Freiger, Heimatkreisvertreter

 

Meine Rede " Befreiung - Befreier?!  60 Jahre nach Kriegsende" , die ich auf dem Heimatkreistreffen  gehalten habe, ist unter der Rubrik "Reden" zu lesen. 

 

 

Grußwort des Patenkreises Oldenburg zur Jahreswende 2005/2006

Ein wiederum turbulentes Jahr neigt sich dem Ende. Viele große und kleine Ereignisse haben uns bewegt. Über Rundfunk und Fernsehen haben wir live am Geschehen in der ganzen Welt teilgenommen.  Jetzt ist es an der Zeit inne zu halten. Die bevorstehenden Feiertage und der Jahreswechsel sollen Inseln der Besinnung und der Ruhe, aber auch der Fröhlichkeit und des herzlichen Miteinanders sein.

In den kommenden Tagen hören wir sicherlich häufig: "Alles Gute, viel Glück im neuen Jahr, Friede auf Erden!" Friede auf Erden - das ist ein großes Wort, eine Vision. Gerade deshalb  freue ich  mich, dass wir die partnerschaftliche Verbindung zu unseren Freunden im Landkreis Nowomiejski ständig vertiefen. Im April dieses Jahres war eine Delegation aus dem polnischen Landkreis Nowomiejski - mit Landrat Stanislaw Czajka an der Spitze - zu einer fünftägigen Konferenz zum Thema "Die Vorteile eines vereinten Europas als Chance ansehen" in Wildeshausen zu Gast.

 

Es war der erste offizielle Besuch seitens der polnischen Seite nach Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages am 5. Mai 2004. Auf dem Programm standen Arbeitsgespräche und Workshops, in denen sich die Beteiligten mit der Umsetzung einzelner europäischer Themen auf lokaler Ebene befassten. Als Zeichen der Verbundenheit zwischen den Landkreisen Nowomiejski und Oldenburg ließen beide Seiten  über 200 EU Luftballons aufsteigen.

Alle Beteiligten bezeichneten die Zusammenarbeit - das Handeln zwischen den beiden Landkreisen  - als wertvoll - nämlich in konkreter Basisarbeit Menschen, junge und alte, Arbeit und Wirtschaft, Politik und Kultur über staatliche und nationale Grenzen hinweg zusammen zu bringen.

Ein weiterer Höhepunkt war das diesjährige Heimatkreistreffen in Hude. Es hat in all den Jahren nicht an Attraktivität verloren. Alte Freundschaften wurden aufgefrischt, neue geschlossen und Erinnerungen ausgetauscht. Möge das Heimatkreistreffen auch in Zukunft dazu beitragen, Erhaltenswertes zu pflegen und im Bewusstsein der jüngeren Generation zu verankern.

Allen Neumarkern und ihren Familien wünsche ich, dass Sie nach der Hektik des Alltags jetzt etwas zur Ruhe kommen. Genießen Sie die Winterstille, sie ist in Wahrheit eine lebendige Ruhe, ein Atemholen vor dem neuen Leben - dem neuen Jahr. Schöne Weihnachtsfeiertage und alles Gute für das Jahr 2006!

Landkreis Oldenburg

 Frank Eger, Landrat

 

 

" Lonkorsch ist  weit"

so heißt das Buch, das unser Landsmann Hans Georg Brunst, geboren am 25. Juni 1937 in Lonkorsch (Großlinker), Kreis Neumark, über seine Lebensgeschichte geschrieben hat. Er beschreibt besonders die Jugendzeit in Westpreußen, sowie Flucht und Vertreibung,. Am 18. Januar 1945 floh die Familie - Großvater, Mutter und Kinder - mit einem Pferdefuhrwerk vor der anrückenden Roten Armee zum Onkel auf einen Hof in der Nähe von Lauenburg in Pommern.

 

Nachfolgend ein Kapitel:

Vertreibung durch die Polen

Anfang September 1945 verteilte die polnische Verwaltung Formu­lare, in die die Namen, Adressen und Geburtsorte aller Bewohner der einzelnen Häuser eingetragen werden mussten. Unsere jüngste,inzwischen fünfmonatige Schwester, wurde von einem nicht ortsan­sässigen Pfarrer auf den Namen Erika getauft. Einen örtlichen Pfarrer gab es in Gnewin schon lange nicht mehr. Ende September erhielten unser Opa und unsere Mutter ein Schreiben der polnischen Behörde.

 Sie wurden aufgefordert, binnen zwei Tagen mit den Kindern am Ortsausgang zu erscheinen, um in die "Heimat" ab­transportiert zu werden. Man durfte nur so viel mitnehmen, wie man tragen konnte. Für unsere kleine Erika trieben Hermann und Tante Grete im Dorf einen Kinderwagen auf. Anfang Oktober sammelten sich alle betroffenen Leute zum Abtransport am Ortsausgang. Auch Tante Marie aus Druschin, die bei Verwandten in Gnewin unterge­kommen war, fand sich mit ihren Kindern ein.

Die Fahrt sollte zunächst zum etwa 25 Kilometer entfernten Bahn­hof in Lauenburg gehen. Für den Transport standen mehrere Pferde­fuhrwerke bereit, auf die die mit Namen versehenen Gepäckstücke geladen wurden. Die Polen erlaubten aber niemandem, die Wagen zu besteigen. Die Deutschen, egal ob alt oder jung, sollten zu Fuß gehen. Die Menschen protestierten, denn sie verstanden nicht, dass auch Kinder und alte Leute neben dem Wagen herlaufen sollten. Die Polen blieben jedoch stur und ließen nur zu, dass Kinder bis zu vier Jahren auf die Wagen gehoben wurden. Aus allen Ortschaften der Umgebung wurden deutsche Frauen, Kinder und alte Männer nach Lauenburg gebracht.  

Erst am späten Nachmittag kamen wir in Lauenburg an. Zum ersten Mal sah ich hier zerstörte und ausgebrannte Häuser. Die Wagen fuhren zum Güterbahnhof, wo ein langer Güterzug für unseren Transport in die "Heimat" bereitstand. Nachdem die Gepäckstücke abgeladen waren, sollten sich alle mit ihrer Habe in die Waggons begeben. Die Bodenflächen waren mit etwas Stroh bestreut. Alle rätselten und fragten, wohin wir transportiert werden sollten. Die Polen sagten immer nur: "In die Heimat." Einige der Polen liefen mit Gewehren an den Güterwagen entlang und kontrollierten wohl, ob alle eingestiegen waren. Dann setzte sich der Zug in Bewegung und verließ Lauenburg.

In den Güterwagen hockten die Leute auf ihren Habseligkeiten und redeten alle durcheinander. Kleinkinder weinten und alte Frauen und Männer stöhnten oder jammerten. Unser Opa und ein anderer Mann hatten die Schiebetür ein wenig zurückgeschoben, um durch den Spalt nach draußen sehen zu können. Da wir in der Mitte des Wagens saßen, konnte auch ich die Landschaft vorbeiziehen sehen. Ich sah verbrannte Gebäude, Häuser mit schwarz verkohlten Dach­balken und zerstörte Fahrzeuge. Unser Zug fuhr durch einsame, teils größere, teils kleinere Bahnhöfe. Draußen schien alles wie ausgestorben und verlassen. Anhand der Beschriftung der Bahnhöfe konnte Opa feststellen, dass unser Transport nach Westen ging. Gegen Abend blieb unser Zug mit einem Mal stehen, aber ein Ort oder ein Bahnhof waren nicht zu sehen. Als die Lokomotive abge­koppelt wurde und ohne uns weiterfuhr, rätselten wir alle, was das wohl zu bedeuten hatte. Auf freier Strecke waren wir einfach abge­hängt worden. Nach einigen Minuten fuhr unsere Lokomotive auf dem Nebengleis an uns vorbei und verschwand in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Draußen dämmerte es bereits, es wurde langsam dunkel.

Wenig später kamen, wie aus dem Nichts, Polen in unseren Wagen und verlangten Uhren und Schmuck. Auch die Eheringe sollten abgegeben werden. Mit Gewalt versuchten die polnischen Frauen und Männer, den Leuten die Ringe von den Fingern zu ziehen und die Armbanduhren wegzunehmen. Unsere Mutter versteckte ihre goldene Armbanduhr und Opas Taschenuhr unten im Kinderwagen. Ein wildes Gerangel entstand, Frauen schrieen, Kinder weinten, polnische Laute, Gejammer und Flüche waren zu hören. Das Geschrei im Waggon war sehr laut. Ein Pole knallte mit seinem Ge­wehr und schoss Löcher in die Decke des Wagens. Mit ihrer Beute sprangen die Polen aus dem Wagen und andere stiegen ein. Die einen leuchteten mit ihren Taschenlampen die Leute an und andere rissen ihnen mit Gewalt die Kleider vom Leibe und nahmen ihnen Mäntel und Jacken weg. Plötzlich erschienen russische Soldaten und vertrieben die Polen. Eine Lokomotive setzte sich vor den Zug und koppelte an. Zu sehen war nichts, denn überall war es stock­dunkel. Unser Zug rollte in die Nacht.

Das Gejammer im Innern unseres Wagens verstummte langsam, viele waren eingeschlafen. Als der Morgen graute, wurden sie wieder munter und schimpften über die Polen oder klagten. Zu sehen war im Wagen nichts, weil es noch zu dunkel war und die Russen die Schiebetüre von außen verriegelt hatten. Der Zug wurde langsamer. Holprige Weichen waren zu spüren und die Schienen quietschten. Vermutlich fuhren wir in einen großen Bahnhof ein. Dann blieb der Zug stehen. Man hörte draußen viele deutsche Stimmen. Die Wagentüren wurden von außen entriegelt und aufge­schoben. Wir waren in einem großen Bahnhof, wir waren in Berlin.

 

 

 

Oberländische Sagen werden prämiert!

Je länger die Zeit dauert, in der die Bevölkerung von ihrer Scholle getrennt ist, um so schwerer gestaltet sich die Erinnerung an das Leben und die mündlich überlieferte Geschichte, zu der auch Sagen und Märchen gehören. Deshalb meine herzliche Bitte an die Leser dieser publizistischen Brücke zur Heimat. Wer kennt noch Sagen und Märchen aus seinem oberländischen Heimatdorf oder vom Erzählen seiner Eltern oder Großeltern?

Es geht nicht um "klassische" Sagen aus den Büchern, die mehr oder weniger dem Vergessen entrissen worden sind, sondern um die Geschichten aus dem engeren, oberländischen Umkreis. Auch kleine Geschichten können einen tiefen Einblick in die Lebens- und Gefühlswelt unserer Vorfahren geben. Helfen Sie mit, dass uns nicht auch dieser Schatz geraubt wird.

Unter den Einsendern oberländischer Sagen und Geschichten werden drei Exemplare des Buches "Oberländische Heimat - ein ostpreußisches Hausbuch für jung und alt" (ISBN 3-00-014609-1) verlost.

Zusendungen bitte an Kersten Radzimanowski, Ferdinand-Dam-Str. 19, 15345 Eggersdorf

 

Bilder vom Oberländischen Kanal

 

 

 

 

 

 

 

Meine Rede " Befreiung - Befreier?!  60 Jahre nach Kriegsende" , die ich auf dem Heimatkreistreffen  gehalten habe, ist unter der Rubrik "Reden" zu lesen, sie ist auch im Drewenzboten abgedruckt. 


 Zurück zum Anfang

<< Zur Seite Der Drewenzbote 

<< zurück