Rede zum Heimatkreisreffen 

 am 11. September 2005 in Hude 

 

 

Befreiung – Befreier?! – 60 Jahre nach Kriegsende

Im letzten Drewenzboten  bin ich in meinem Grußwort auf die Problematik der sogenannten „Befreiung“ 1945 durch die Siegermächte eingegangen. Sie war auch Gegenstand meines Referates, anlässlich unseres Heimatkreistreffens im September, in Hude, und soll den „Nicht – dagewesenen“ nicht vorenthalten werden und für die „Dagewesenen“ vielleicht nochmals Anlaß zur Reflexion sein:

Vor 60 Jahren ging der 2. Weltkrieg zu Ende. Deutschland hatte ihn verloren - die deutsche Reichsregierung unter Hitler ihn bewusst vom Zaun gebrochen.

War die deutsche Niederlage eine „Befreiung“ und – demzufolge –  die Siegermächte „Befreier“ – wie in den Medien, von vielen Politikern, ja selbst in deutschen Bildungseinrichtungen, propagiert?

Um das zu beantworten, muß ich zunächst etwas weiter ausholen und auf folgende Fragen eingehen:

1.  Wie ist es zum 2. Weltkrieg, bzw. laut Spiegel (in seiner Ausgabe Nr. 8 in 2004), zum  zweiten 30-jährigen Krieg ,  (1. u. 2. Weltkrieg als Einheit gesehen) gekommen?   Wie funktioniert überhaupt Weltpolitik?

2. War es für Deutschland, die Deutschen, eine „Befreiung“ und verstanden sich die Sieger als „Befreier“?

3. Warum fällt es uns, den Deutschen, so schwer, unbefangen mit der Geschichte und den Folgen des 2. Weltkriegs umzugehen?

 

Zu 1. Um politische Geschichte zu verstehen, muß man sich einige Spielregeln der Weltgeschichte vergegenwärtigen.

Solange es Staaten gibt, verfolgen diese in der Außenpolitik folgende Ziele:

a)      Sicherung der Grenzen und des Territoriums des eigenen Staates.

b)      Schaffung von Regeln und Vereinbarungen mit anderen Staaten zwecks Friedenssicherung, Handel und Kulturaustausch.

c)      Ausdehnung des eigenen Herrschaftsbereichs und, darüber hinaus, des eigenen Einflussbereichs.

 

Diese drei Spielregeln der Weltgeschichte werden, wie schon gesagt, von allen Staaten verfolgt, mal mehr, mal weniger, mit mehr oder weniger friedlichen Mitteln, wie Kultur, Religion und Wirtschaft, aber auch Militär.

Natürlich hat die Gesellschaftsform eines Staates, ob Demokratie, Monarchie oder gar Diktatur, aber auch die Größe und  die wirtschaftliche und militärische Stärke, einen Einfluß auf die konkreten Ziele und die Radikalität des Vorgehens, nicht aber auf die Befolgung dieser Spielregeln überhaupt.

Kleine Staaten werden in der Regel zufrieden sein, ihre Grenzen gesichert zu erhalten. Aber auch kleine Staaten nutzen die Gunst der Stunde, wenn sie sich ausdehnen können: Das nach dem 1. Weltkrieg  neugegründete Litauen überfiel und annektierte das Memelland, das nach dem Willen der Siegermächte des ersten Weltkriegs eigentlich ein Freistaat, wie Danzig, werden sollte.

Den Freistaat Danzig plante Polen zu besetzen. Wie neuere Quellenforschungen ergeben haben, war die Bewaffnung der polnischen Post in Danzig ein Teil der Vorbereitungen.

 

Zur Zeit können wir miterleben, wie die Weltmacht USA alles daransetzt, ihre Weltmachtstellung abzusichern und auszubauen.

 Könnte man den Afghanistanfeldzug noch als einen Krieg zur Sicherung des eigenen Territorium ansehen ( immerhin wurden dort Terroristen für weltweite Operationen  ausgebildet – was wohl unseren Verteidigungsminister Struck zu der Äußerung veranlasste, Deutschland  werde am Hindukusch  verteidigt ), so war der Irakkrieg eindeutig ein Angriffskrieg zur Erweiterung des eigenen Machtbereichs – also ein Eroberungskrieg – und zwar primär zur Sicherstellung der Erdölversorgung (Siehe dazu: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2005; Altkanzler Helmut Schmidt:  „Die Mächte der Zukunft“,  wo ausführlich auf den Imperialismus der USA eingegangen wird.)

Die Geschichte des zweiten 30-jährigen Krieges ist die Geschichte um Macht. Deutschland, die verspätete Großmacht, sollte im Interesse der anderen europäischen Großmächte geschwächt werden.

Ich sagte bereits, Deutschland ist ein verspätete Großmacht gewesen, ein verspäteter Nationalstaat,  gegründet erst 1871. Bis zur deutschen Reichsgründung war Deutschland ein Flickenteppich von größeren und kleineren souveränen Staaten. Der Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ – der letzte Kaiser legte 1806, gezwungen durch Napoleon, die Krone des Deutschen Reiches nieder – hatte in den letzten Jahrhunderten nur geringe Ordnungsvollmachten, ebenso der Reichstag. Die meisten Nachbarstaaten konnten in Deutschland direkt oder indirekt Einfluß nehmen. Das war erst 1871 vorbei, (die demokratische, bürgerliche Reichsgründung war 1848 gescheitert ). Die alten Machtverhältnisse wurden aufgebrochen.

Es entstand in der Mitte Europas der mächtigste Staat des Kontinents. Allerdings in einer geographisch problematischen Lage, weil umgeben von mehr oder weniger großen Staaten.

Bismarck  hat diese Gefahr wohl erkannt und deshalb mit Russland einen Pakt geschlossen, um wenigsten auf einer Seite relativ geschützt zu sein. Denn Frankreich sann auf Rache, es wollte das 1871 verlorene  Elsaß–Lothringen wiedererlangen.

Der letzte  Deutsche Kaiser, Wilhelm II, besaß nicht die Weitsicht Bismarcks , er ließ den Vertrag mit Russland  auslaufen und  setzte noch eines drauf, indem er die damalige Weltmacht England, die Beherrscherin der Meere , mit dem Bau einer großen Kriegsflotte herausforderte.

Es bedurfte nur eines Funkens – das Attentat eines serbischen Terroristen in Sarajewo auf das österreichische Kronprinzenpaar und die folgende militärische Strafaktion Österreichs gegen Serbien, mit Zustimmung des Deutschen Kaisers - um England, Frankreich und Russland auf den Plan zu rufen und den  1. Weltkrieg ausbrechen zu lassen.

Nachdem die USA auf Seiten Englands und Frankreichs gegen Deutschland und Österreich in den Krieg eingriff, mussten Deutschland und Österreich den Krieg verloren geben, obgleich – anders als im 2. Weltkrieg – kein fremder Soldat auf deutschem Boden stand.

Das nun folgende Versailler Friedensdiktat war eindeutig darauf ausgerichtet, nicht etwa einen dauerhaften Frieden in Europa zu sichern, wie das noch vom Wiener Kongreß, nach der Niederlage Napoleons, versucht wurde,  sondern um Deutschland  so zu schwächen, dass Frankreich und England wirtschaftlich und militärisch nicht mehr bedroht werden konnten.

Deutschland verlor seine Kolonien, seine Flotte und durfte nur ein 100-tausend-Mann-Heer unterhalten. Außerdem wurden deutsch besiedelte Gebiete: Danzig, Westpreußen, Posen und Teile Oberschlesiens, abgetrennt, und, bis auf den Freistaat Danzig, dem neu errichteten Polen zugeschlagen.

 

Weitere Gebietsverluste Deutschlands, Nordschleswig an Dänemark, Eupen–Malmedy an Belgien und Elsaß–Lothringen an Frankreich, vervollständigten die Reduzierung des Deutschen Reiches.

Österreich wurde zerschlagen, übrig blieb Deutsch–Österreich, das sich nach dem Versailler Diktat nicht an das Deutsche Reich anschließen durfte.

Die Geisteshaltung, die den Wiener Kongreß beflügelte, gab es nicht: Frankreich verlor damals in Europa keinen Quadratmeter Boden und  Frankreich verhandelte mit. Die deutsche Delegation durfte in Versailles nicht verhandeln, sie musste nur den Vertrag unterschreiben. D.h. Versailles war ein Diktat, ein Diktat, dass in Deutschland als völlig ungerecht angesehen wurde und sicher mit ein Baustein für Hitlers Aufstieg und den 2. Weltkrieg war.

 

Dem 2. Weltkrieg voraus ging – wie wir wissen –  eine äußerst riskante Politik Hitlers: Anschluss Österreichs, des Sudetenlandes, Besetzung der Tschechoslowakei.

Sie wurde von Frankreich und England im Falle Österreich –  wohl mit Blick auf den Versailler Vertrag –  hingenommen. Im Falle der Tschechoslowakei besiegelten Frankreich und England im Münchner Abkommen von 1938 die Annexion der deutschbesiedelten Teile.

Frankreich und England waren – anders als zur Zeit des 1. Weltkrieges – nicht an einem Krieg interessiert und betrieben deshalb eine Friedenspolitik, die von Hitler nicht verstanden, sogar als Schwäche ausgelegt wurde und ihn sicher darin bestärkte, Polen zu überfallen. Das wurde nicht hingenommen und England und Frankreich erklärten Deutschland den Krieg und entwickelten – im Verein mit den USA und Russland, denen Deutschland den Krieg erklärte, in ihrem Interesse  liegende Kriegsziele.

 

Zu 2. Es liegt auf der Hand, dass jeder der Sieger seine eigenen Ziele hatte, die gelegentlich mit denen der anderen identisch waren. Der Übersichtlichkeit wegen werden sie nacheinander aufgelistet.

 

Kriegsziele der USA Roosevelts:

Am bekanntesten ist der MORGENTHAU-PLAN vom September 1944.

Dieser stammt nicht aus irgendeiner Denkküche der USA, sondern vom

Finanzminister der USA, Henry Morgenthau, und wurde von Präsident Roosevelt mit Unterschrift besiegelt.

Darin wird vorgeschlagen :

1. Die totale Demontage der deutschen Industrie – Deutschland soll Agrar     land werden.  'Germany's road to peace leads to the farm' .

2. Die vollständige Entmilitarisierung Deutschlands.

3. Die Abtrennung der Ostgebiete und des Saarlandes.

4. Die Rheingrenze als Westgrenze Deutschlands.

5. Die Aufteilung Restdeutschlands in zwei unabhängige Staaten.

6. Die Kontrolle der Wirtschaft.

Erst nach heftigen Widerständen in der amerikanischen Öffentlichkeit und nach Interventionen  von Außenminister Cordell Hull und Kriegsminister Henry Lewis Stimson, zog Roosevelt seine Unterschrift wieder zurück. Anfang Oktober 1944 wurde der Plan ad acta gelegt.

Die Ziele waren dann:

1. Zerschlagung des Zentralstaates

[Das führte zur Gründung der Bundesländer in Westdeutschland].

2. Umerziehung der Deutschen.

3. Einführung der Demokratie.

 

Kriegsziele Großbritanniens – Churchills.

1. Konkrete territoriale Absprachen über britische und sowjetische Interessenssphären in Südosteuropa. [Das sollte die Voraussetzung für die Zustimmung Großbritanniens zur Abtrennung Ostdeutschlands sein.]

     2. Orientierung am Grundsatz des europäischen Gleichgewichts.

3. Politik im Geiste des Morgenthau-Plans: a) Beseitigung eines wirtschaftlichen Konkurrenten. b) personelle Entnazifizierung.

     4. Demokratisierung - ähnlich dem Konzept der USA.

 

Kriegsziele der SU-Stalins (1941 und danach)

     1. Die Wiederherstellung Österreichs.

2. Die Rückgabe der von Deutschland eroberten Gebiete [z.B. Sudetenland an Tschechoslowakei, aber: Keine Rückgabe der sowjetischen Eroberungen aus dem Hitler-Stalin-Pakt , Ostpolen (Westgrenze: Curzon-Linie) Estland, Lettland, Litauen].

     3. Nordostpreußen fällt an Russland.

4. Als Kompensation erhält  Polen von Deutschland Südostpreußen, Danzig, Westpreußen, Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg bis Oder-Neiße,  [Also eine Westverschiebung Polens bis zur Oder-Neiße-Linie.]

     5. Die Zerschlagung Deutschlands: Rheinland und  Bayern selbstständig.

 Ziele Frankreichs - De Gaulles seit  Herbst 1944

1. Die Wiederherstellung des französischen Großmachtstatus.

2. Die Föderalisierung Deutschlands.

3. Die Rheinlande von Deutschland unabhängig.

4. Das Ruhrgebiet unter internationale Kontrolle.

5. Die Angliederung des Saarlandes an Frankreich.

6. Die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie gegenüber Stalin gegen Unterstützung der Rheingrenze durch Stalin.

 

Kriegsziele der 'GROßEN DREI' (Roosevelt, Churchill, Stalin)

Konferenz von Teheran (28. November - 1. Dezember 1943)

1. Ende Deutschlands als Großmacht. Aufteilung Deutschlands in fünf selbstständige Staaten.

2. Hamburg, Kiel, Ruhrgebiet, Saarland kommen unter internationale Kontrolle.

3. Churchill: Bildung einer bayerisch-österreichisch-ungarischen Donauföderation. 

4. Stalin: Die Oder-Neiße als Ostgrenze gegen Polen.

5. Reparationen. 

6. Teilung Berlins in Sektoren.

Die Kriegsziele der Siegermächte beinhalten eine Fülle von Überlegungen. Beginnen wir mit dem Morgenthau-Plan und lassen einen Amerikaner zu Wort kommen: „Als Amerikaner möchte ich unzweideutig sagen, dass der Morgenthauplan nicht mehr und nicht weniger war, als ein Genozidplan. Diese Bezeichnung ist keineswegs extrem. Die Absicht der Vernichtung ist im Plan deutlich. Wenn der Morgenthau-Plan in die Tat umgesetzt worden wäre, wären Millionen Deutsche verhungert.“

„Die Vertreibung und der Verlust der historischen ostdeutschen Provinzen waren zwar Konsequenzen des Krieges, aber keinesfalls die logischen oder gar notwendigen Konsequenzen. Sie ergaben sich einerseits aus dem Willen und aus der militärischen Stärke Stalins und andererseits aus der Kriegsmüdigkeit und den Denkweisen in Interessen-Sphären der Anglo-Amerikaner.“ (Alfred de Zayas 1997)

Letzteres geht klar aus der Direktive JCS 1067/ des US-Generalstabs vom April 1945, an den Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen, hervor:   "Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen."

 

Die Kriegsmüdigkeit hat die Amerikaner offenbar abgehalten, Einfluß auf England, d.h. in diesem Fall auf Churchill, zu nehmen.

Ich zitiere:  „Die Austreibung der Deutschen aus Osteuropa geht zum großen Teil auf den englischen Ministerpräsidenten Churchill zurück, nachdem er und Roosevelt sozusagen an Stelle Hitlers in den Vertrag eingetreten waren, den dieser mit Stalin über die polnische Ostgrenze geschlossen hatte:

Churchill wörtlich am 15.12.1944, im englischen Unterhaus: „Die Ausdehnung (Polen über Ostdeutschland), die von England und Russland befürwortet werden soll, ist sehr bedeutend. So gewinnt Polen im Westen und Norden wichtigere und höher entwickelte Gebiete, als sie im Osten verlieren .... Dabei müsste von Osten nach Norden oder Westen eine Überführung von mehreren Millionen Menschen durchgeführt werden sowie die Austreibung  der Deutschen – denn gerade das wird vorgeschlagen: die totale Austreibung der Deutschen – aus dem von Polen im Westen und Norden zu erwerbenden Gebiet.  Denn die Austreibung wird, soviel wir sehen können, die am meisten zufriedenstellende und dauerhafteste Methode sein ..... Es wir sauber ausgefegt werden“ , und an derselben Stelle am 25. Februar  1945: „Wie brauchen nicht zu fürchten, dass die Aufgabe, diese neuen Grenzlinien zu halten, für Polen zu schwer sein wird.....Wir haben die Absicht, .... weit drastischere und wirksamere Schritte, als nach dem vorigen Krieg, zu unternehmen ....“ [Churchill-Zitat Ende]

Die Polen erhielten das gesamte staatliche und private Eigentum , die Städte, Dörfer und Äcker der ausgetriebenen oder totgeschlagenen Deutschen. Dasselbe geschah in der Tschechoslowakei,  wobei zu bedenken ist, dass von allen mitteleuropäischen Völkern die Tschechen das einzige Volk sind, das den zweiten Weltkrieg ohne Schaden überdauert hatte. Ebenso vertrieb man die Deutschen aus Jugoslawien, Ungarn, Rumänien. Alle Deutschen wurden durch die Siegermächte zum Freiwild gemacht.“

„Dies ist – außer der jahrtausendelangen Verfolgung der Juden – die größte, furchtbarste und blutigste Verfolgung, der jemals ein Volk in der Weltgeschichte ausgeliefert wurde.“   [Gerhard Boldt in „Das Ende im Frühjahr 1945“, abgedruckt in: „Das deutsche Abenteuer“ von Eberhard Orthbandt, Europäischer Buchklub 1960.]  

Daß Churchill machtstrategisch nicht weitsichtig gehandelt hat, gibt er bereits wenige Monate später, am 16. August 1945,  im Unterhaus zu: "Ich muss meine persönliche Meinung zu Protokoll geben, dass die, Polen zugestandene, provisorische Westgrenze, die .. ein Viertel des Ackerlandes ganz Deutschlands umschließt, kein gutes Vorzeichen für die künftige Karte Europas ist." Und am 5. März 1946 sagte er in Fulton, Missouri: "Die von den Russen gegängelte polnische Regierung ist ermutigt worden, sehr umfassende und widerrechtliche Übergriffe gegen Deutschland zu unternehmen, und jetzt finden Massenvertreibungen von Deutschen in einem bedrückenden und ungeahnten Ausmaß statt."

Er hatte wohl begriffen, welche Ausgangsbasis er Stalin eingeräumt hatte, von der aus dieser Europa hätte erobern können.

 

Ich wiederhole: Die Kriegsziele der Siegermächte beinhalten eine Fülle von Überlegungen. Eines aber wird deutlich: von einer Befreiung Deutschlands vom NS-Regime – und somit der Deutschen – ist nirgendwo die Rede. Sie widerspräche auch allen Überlegungen zur Teilung Deutschlands und ihren Folgen, sowie der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus Ihrer Heimat.

Und dennoch waren die Sieger für keine geringe Zahl Deutscher Befreier. Sie befreiten die Opfer, die Verfolgten des Naziregimes.

Zu 3. Daß sich während der Nazizeit Unendliches, Unmenschliches ereignet hat – in einem Land, das auf seine Zivilisation, seine Kultur stolz war, auferlegt uns Deutschen eine schwere, untragbare Last, die uns anhängt, auch mit der Folge der Unsicherheit, der Unterdrückung der Wahrnehmung nationaler Interessen, wie sie andere Völker selbstverständlich vertreten.

Sie macht uns aber auch sensibel für die Verbrechen in aller Welt. Sie ist Verpflichtung, Verbrechen beim Namen zu nennen, egal von wem, an wem, begangen. Die Deutschen sind da nicht ausgenommen. Sie ist Verpflichtung, Frieden und Aussöhnung zu suchen.

 Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund, warum heute, rückblickend, die deutsche Niederlage als Befreiung gesehen werden kann: Der Aufstieg Nachkriegsdeutschlands, bzw. Westdeutschlands aus dem Abgrund, in den Hitler es geführt hatte, zu einer wohlhabenden, demokratischen Nation. 

Die weltpolitischen Umstände haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Und zwar die Weltmachtkonkurrenz zwischen den USA und der Sowjetunion. Der sogenannte „Kalte Krieg“ rettete Deutschland.  Die Deutschen wurden sowohl im Westen, wie im Osten, zur Verteidigung des jeweiligen Machtbereichs gebraucht.  Dies führte im Westen zu einem großen ökonomischen Aufstieg. Westdeutschland wurde drittstärkste Wirtschaftsmacht, nach den USA und Japan.

Interessant in diesem Zusammenhang, aber nicht erstaunlich, dass Japan und Deutschland, die beiden Verlierer des 2. Weltkriegs, trotz der Kriegsverluste eine derartige Stellung erreichen konnten. Wir erinnern uns:  Die aufstrebenden Mächte, Deutschland und  Japan, sollten aufgehalten werden. Ökonomisch ist das nicht erreicht worden.

Übrigens auch die Wiedervereinigung Restdeutschlands wäre ohne „Kalten Krieg“, den die USA gewonnen haben, und der zum Zusammenbruch des Sowjetreiches führte, nicht erreicht worden.

Präsident Georg Bush sen. erkannte klar, dass der Machtbereich der USA, durch die Erweiterung der NATO, vergrößert würde, folglich förderte er die Wiedervereinigung. Der sowjetische Präsident Michael Gorbatschow wusste um die weltpolitischen Gefahren für die SU und sah in einer Wiedervereinigung Deutschlands im Westen der SU einen Stabilitätsfaktor. Seine Weitsicht ist für uns Deutsche nicht hoch genug einzuschätzen.

Und wie haben sich unsere europäischen Verbündeten, England und Frankreich, verhalten?

Wir erinnern uns der aufgezeigten Kriegsziele Englands und Frankreichs.  Die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik missfiel ihnen bereits. Bei der Aussicht auf ein noch stärkeres Deutschland fielen sie in die alten Denkweisen zurück. Die Europäische Union hatte ihr Denken nicht grundsätzlich verändert. Die englische  Premierministerin Magret Thatcher [von der Altkanzler Helmut Kohl berichtet, sie hätte ihm zugeraunt, zweimal hätten die Briten Deutschland besiegt und nun sei es doch wieder da], wie der französische Präsident Mitterand [von ihm wurde der Ausspruch kolportiert „ich liebe Deutschland so, dass ich gern zwei davon hätte“], versuchten folgerichtig, wie wir wissen gottlob erfolglos, die Wiedervereinigung zu verhindern.

Noch einmal: Der „Kalte Krieg“ hat, die richtigen Männer in den richtigen Positionen – auch in Deutschland – haben das „Wunder“ bewirkt.

 Eine objektive Darstellung der Weltgeschichte und der Kriegshandlungen, auch aus deutscher Sicht, sind meiner Ansicht nach Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Völker in Europa.

Frieden und Wohlstand in ganz Europa sind der beste Garant für ein sicheres Deutschland.

Deshalb mein Eintreten für Freundschaft mit Polen. 

St. Freiger

Weitere Literaturhinweis: Kriegsziele aus Zusammenstellung von Peter Weinreich,    www.pweinreich.de 2005

                                     Alfred de Zayas, Bonn, 18. April 1997, Pen-Club(Internet)

 


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