Eröffnung  des 50. Heimatkreisreffens 

 Pfingsten 1999 in Hude 

durch   Prof. Stephan Freiger.  

 

 

Die Reden, die ich auf der Festveranstaltung am 23. Mai 1999 in Hude gehalten habe, gebe ich in leichter Überarbeitung wieder - Sie ist auch im Drewenzboten abgedruckt.

 

Die Eröffnungsrede

 

Vor 50 Jahren, vor einem halben Jahrhundert fand die Gründung des Heimatkreises statt.

Wir feiern ein Jubiläum.

Ausgerechnet zu diesem Jubiläum werden wir täglich in den Nachrichten mit Vertreibung und Mord im Kosovo konfrontiert. Eine ethnische „Säuberung" ist dort im Gange.

Da kann ich natürlich erst recht nicht daran vorbeigehen, daß die Ursache für die Gründung des Heimatkreises Neumark in einer früheren ethnische „Säuberung" liegt, die vor 54 Jahren und danach stattfand. Die Vertreibung von Deutschen aus ihrer Heimat, aus Deutschlands Osten und aus anderen Teilen Osteuropa.

Und bei der Vertreibung der Deutschen ging man ebenfalls nicht zimperlich um. 11,7 Mill. Deutsche wurden vertrieben und kamen lebend in Mittel- und Westdeutschland an. 2,5 bis 3,7 Millionen. fanden den Tod durch öffentliche Ermordung, in Gefängnissen und Zwangslagern oder während der Austreibung. 

Und die Staaten, die heute führend in der Nato an vorderster Front bei der Bombardierung Serbiens gegen Milosevic´s Vertreibungspolitik aktiv sind - USA, England und Frankreich, unsere heutigen Verbündeten – gehörten 1945/46 zu den Siegermächten, die die Vertreibung und Ermordung der Deutschen im Osten eingeleitet und gewollt hatten.

 

Der englische Premier Winston Churchill brüstete sich im Parlament, dem britischen Unterhaus, am 15. Dezember 1944 :

„Die Ausdehnung (Polens über Ostdeutschland) die von England und Rußland befürwortet werden soll, ist sehr bedeutend. So gewinnen die Polen im Westen und Norden wichtigere und höher entwickelte Gebiete, als sie im Osten verlieren. ...... Dabei müßten von Osten nach Norden oder Westen eine Überführung von mehreren Millionen Menschen (Polen) durchgeführt werden sowie die Austreibung der Deutschen - denn gerade das wird vorgeschlagen: die totale Austreibung der Deutschen - aus dem von Polen im Westen und Norden zu erwerbenden Gebiet. Denn die Austreibung wird, soviel wir sehen können, die am meisten zufriedenstellende und dauerhafteste Methode sein ........ Es wird sauber ausgefegt werden".   Soweit Churchill !

 

Rußland behielt die im Hitler-Stalin-Pakt erhaltenen Gebiete Polens und das Baltikum und erhielt zusätzlich Nordostpreußen mit Königsberg. Praktisch waren Churchill und Roosevelt anstelle von Hitler in den Vertrag mit Stalin eingetreten.

Gleiches „Ausfegen" hat es in der Tschechoslowakei, auch in Jugoslawien - daher weiß Milosevic, wie man das macht - , und im geringerem Ausmaß in Ungarn und Rumänien gegeben.

                

Eberhard Orthabandt schreibt in seinem Buch „Das deutsche Abenteuer" (1960) :

"Dies ist - außer der jahrtausendlangen Verfolgung der Juden - die größte, furchtbarste und blutigste Verfolgung, der jemals ein Volk in der Weltgeschichte ausgeliefert wurde."

 

Wir vergessen natürlich nicht und dürfen auch nicht vergessen: Anlaß, Ursache und Möglichkeit der Verbrechen an Deutschen war der von der deutschen Reichsregierung unter Hitler vom Zaun gebrochene 2. Weltkrieg und die über          - wie in jedem Krieg, auch dem heutigen in Serbien - kriegsbedingten Zerstörungen und Toten hinaus    (die sogenannten "Kollateralschäden" der Nato)   planmäßig durchgeführten Verbrechen in den besetzten Ländern - insbesondere an Juden - genauso wie an Teilen des eigenen Volkes, an deutschen Juden und an politisch Andersdenkenden.

    

Geiselerschießung (7.12.1939) in Löbau durch die SS

 

Wir müssen die Schuld deshalb zunächst bei der eigenen Regierung und der sie tragenden Kräfte – dem Nationalsozialismus - suchen und sie verurteilen. Denn die eigene Regierung war es, die die später erfolgten Verbrechen an Deutschen ermöglichte. Und ich bin oft genug entsetzt, wenn sich zeigt, daß es immer noch Unbelehrbare oder junge Nazi-Nachbeter gibt, die immer noch nicht begriffen haben oder schon wieder nicht begreifen, daß der Nationalismus nicht nur eine Gefahr für andere Völker ist, sondern dem eigenen Volk den größten Schaden zufügt.

Allerdings rechtfertigen die von Deutschen begangenen Verbrechen nicht die Verbrechen an den Deutschen. Und die Vertreibung, Enteignung und Ermordung war ein Verbrechen und bleibt es auch. Die international vereinbarten Menschenrechte sind hier eindeutig.

 

 

Wir Deutschen hatten 50 Jahre lang Zeit, uns mit den Verbrechen unserer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. 

Und ich glaube, wir haben die Zeit genutzt. Anders ist es in Polen gewesen, denn erst im demokratischen Polen ist eine offene Diskussion über die Vergangenheit möglich.

Die Deutschen Vertriebenen haben schon früh in der „Charta der Vertriebenen" auf jede Gewaltanwendung und Rache bei der Forderung nach Wiedergutmachung verzichtet. Und das war richtig und bleibt richtig. Denn nichts ist beeindruckender und lehrreicher - weil wir ja nicht direkt betroffen sind - , als der unsinnige ethnische Bürgerkrieg in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.

Und man beobachte und höre nur die Äußerungen von Serben - sowohl in Serbien, wo man falsche staatliche Informationspolitik als Ursache unterstellen kann, als auch in Deutschland, wo ja eine freie Presse genügend berichtet . Serbische Demonstrationen gegen die Verbrechen Serbiens im Kosovo an der albanischen Bevölkerung habe ich bisher noch nicht gesehen.

Am Rande sei nur der Objektivität willen und dem Versuch einer wahren Darstellung willen darauf hingewiesen, daß leider die Mehrheit der anderen Bevölkerungsgruppen auf dem Balkan nicht anders denken und handeln - oder handeln würden, wenn sie nur könnten - wie die Kriege in Kroatien und Bosnien bestätigten. Dabei war und ist allerdings Milosevic bei all diesen Konflikten Anstifter gewesen.

In solche Gegnerschaft zu einem anderen Volk – wie jetzt im ehemaligen Jugoslawien vorgeführt – möchten wir nicht wieder kommen. Nicht die Fortsetzung des europäischen Irrtums, des Nationalismus, sondern Freundschaft und friedliches Zusammenleben verschiedener Völker in einem vereinten Europa und in einer friedlichen Welt, ist unser Ziel.

 

Und deshalb wollen wir auch die Freundschaft zwischen Deutschland und Polen begründen und fördern. Polen ist Mitglied der NATO geworden und will und wird bald Mitglied der Europäischen Union werden. Die Staatsgrenzen zwischen Deutschland und Polen sind festgelegt und werden auch von Deutschland garantiert.

Dabei darf man der historischen Wahrheit nicht aus dem Wege gehen. Man muß auch über vergangene gegenseitige Verbrechen in einer Freundschaft reden können, ja, man muß es auch tun, um ein unkontrolliertes Aufbrechen von Gegensätzen zu verhindern.

Um die Völkerfreundschaft zwischen Polen und Deutschland zu fördern, haben wir polnische Jugendliche zu unserem Jugendtreffen und auch die polnischen Landräte und Bürgermeister von Neumark und Löbau zu unserem Heimatkreistreffen eingeladen.

 

Herr Stanislav Gajka, früherer Starost und jetziger Vice Starost des heutigen Kreises Neumark (Nowe Miasto) ist erschienen und hat die Grußschreiben des Landrats, Starost Wazlaw Derlitzki und der Bürgermeister der Städte Löbau (Lubawa) und Neumark (Nowe Miasto Lubawskie) der Herren Jaroslaw Maskiewicz und Witold Lendzion mitgebracht und während der Feierstunde übergeben.

Ganz besonders habe ich auch die Jugendlichen aus Polen, aus Neumark und aus Löbau, und mit ihre Lehrerinnen ( Marianna Grzywacz, Joanna Kardela, Agnieszka Tessmer, Kinga Zedlewska ) begrüßt, die schon seit Samstag, den 15. Mai in Hude am deutsch-polnischen Jugendzeltlager teilnahmen und die geistliche Feierstunde und die Festversammlung mit ihren Volksliedern umrahmten. Besonderer Dank gebührt dabei Frau Joanna Kardela, die alles so vorzüglich in Polen organisiert hat. Ohne sie wäre die Jugendbegegnung nicht zustande gekommen.

Gedacht werden muß auch an die Eingliederung der über 11 Mill. Vertriebene in Mittel- und Westdeutschland, die eine solidarische Meisterleistung des deutschen Volkes war - auch wenn es am Anfang im einzelnen, besonders auf dem Lande - manche Eingliederungsschwierigkeiten gab. Heute sind alle integriert und die Nachkommen erfahren vielleicht mal bei Familientreffen, woher sie bzw. ihre Vorfahren stammen.

 

Zur Aufnahme im Westen gehörte auch, daß Länder, Städte und Landkreise Patenschaften für die ehemaligen ostdeutschen Gebiete übernahmen. Für den Kreis Neumark übernahm der Landkreis Oldenburg am 17. März 1973 die Patenschaft. Deshalb gehören die Vertreter des Landkreises natürlich zu unseren Heimatkreistreffen. Beim jetzigen Treffen war es der Stellv. Landrat Herrn Rudolf Kaltenhauser, der früher schon öfter an Heimatkreistreffen teilgenommen hatte. Als weiterer Vertreter des Landratsamtes war Herr Flerlage anwesend.

Wir führten das 20 Heimatkreistreffen durch, und nun schon das 14. in Hude. Als Vertreter der Gemeinde Hude war Herrn Gerold Pflug, der frühere Bürgermeister, erschienen. Bei der Gemeindeverwaltung Hude möchte ich mich sehr bedanken für die tatkräftige Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung unseres Jugendzeltlagers. Und hier besonders bei den Jugendpflegern Herrn Karl-G. Keller, Herrn Robert Otte und Herrn Ulrich von Maydell und bei Herrn Uwe Schubert von der Gemeindeverwaltung.

Auch ein Huder Verein, die Kolpingfamilie hat uns beim Aufbau und beim Programm des Jugendzeltlagers sehr geholfen. Dafür möchte ich dem Vorsitzenden der Kolping-Familie Herrn Siegfried Wittig, Herrn Joachim Friske und dem Jugendleiter des Kolping-Familie Herrn Jörg Kreusel , der schon seit unserem Vorbereitungstreffen aktiv mitgewirkt hat, danken.

 

Aber der Heimatkreis Neumark ist keine isolierte Gründung der Heimatvertriebenen des ehemaligen Kreises Neumark, sondern Teil der Landsmannschaft Westpreußen. Und auch die Landsmannschaft Westpreußen begeht in diesem Jahr das 50. Bestehen. Ich konnte den Geschäftsführer der Landsmannschaft Westpreußen Herrn Hans-Jürgen Schuch, der jahrelang bis vor kurzem auch das Westpreußische Landesmuseum im Schloß Wohlbeck bei Münster geleitet hat begrüßen. Er war auch bei der feierlichen Einrichtung der Patenschaft des Kreises Oldenburg für den Heimatkreis Neumark dabei, wozu er sich in seine Rede äußerte.

 

Und nicht zuletzt war auch eine Abordnung des „Bundes der Bevölkerung Deutscher Volkszugehörigkeit, Ortsgruppe Neumark" zum Heimatkreistreffen angereist mit den beiden Vorstandsmitgliedern Jan Ìugiewicz und Edmund Tessmer. Es ist noch nicht so lange her, daß sich auch in Polen die noch in Resten vorhandene deutsche Minderheit organisieren darf. Deshalb freuen wir uns über Ihren Besuch.

Die Feierstunde soll den Auftakt einer zukunftsgerichteten Heimatkreisarbeit bestätigen.

Stephan Freiger

 

 

 

 


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